„Ich bitte um eine neue Studie“
Die Bürger stellten der Ministerin ihre Fragen. Sie hatten viele. Und mancher schoss übers Ziel hinaus
Mittendrin. Birgit Büchner sagte es deutlich: „Wenn das Wasser kommt, dann haben wir es nicht im Keller, sondern im Dachboden.“ Büchner ist die Pächterin der Riedmühlranch in Schwenningen und die zählt zu den vereinzelten Gehöften, die mitten in den geplanten Flutpolder-Flächen liegen. „Wir haben aktuell 31 Pferde. Wie lange habe ich Zeit zu flüchten? Wer kann mir helfen?“, fragte sie am Montagabend das Podium, auf dem Landrat Leo Schrell, Professor Dr. Peter Rutschmann, Ralph Neumeier (Wasserwirtschaftsamt), Deggensdorf Landrat Christian Bernreiter und Umweltministerin Ulrike Scharf Platz genommen hatten. Büchner ging noch einen Schritt weiter: „Wir sind nur Pächter. Wenn es uns nicht mehr gibt: Wer will dann diese Ranch im Flutpoldergebiet noch? Niemand. Dann verlieren die Besitzer ihre Existenz.“ Dass die Riedmühlranch ein besondere Lage habe, dieser Fall individuell betrachtet werden müsse, das ist laut Neumeier, Leiter des WWA in Donauwörth, klar. Konkret konnte er Birgit Büchner aber am Montag vor Ort auch nicht helfen. Nur: „Wir müssen dann Objektschutzmaßnahmen vornehmen. Mauern und Deiche bauen. Wir können Sie auf jeden Fall nicht einfach enteignen. Das geht nicht“. Dem stimmte auch Ministerin Scharf zu. Sie nickte und bestätigte: „Das haben wir auch nicht vor.“
Aktuell geplant ist ein Flutpolder bei Schwenningen/Tapfheim mit einer Fläche von 740 Hektar und einem Volumen von circa 14 Millionen Kubikmeter. Die Fläche bei Höchstädt, die Blindheim und auch Teile von Schwenningen betrifft, ist 600 Hektar groß und fasst circa zwölf Millionen Kubikmeter. Birgit Büchner war eine von vielen Bürgern, die beim zweiten Hochwasserdialog ihre Fragen in der Öffentlichkeit stellte. Ihre Kritik nicht im Verborgenen äußerte. Ihr taten es Hunderte gleich. Ausgestattet mit roten Karten, roten Schals und Trillerpfeifen strömten die Menschen schon lange vor Beginn der Veranstaltung in die Halle, sicherten sich die besten Plätze und machten ihrem Ärger Luft – sehr emotional und frustgeladen.
Der Schwenninger Erwin Joachim beispielsweise sagte: „Wenn ich Wasser im Keller habe, hole ich euch und lasse es euch raussaufen.“ Er ging sogar noch einen Schritt weiter und sorgte für einen der wenigen Fehltritte an diesem Abend: „Frau Ministerin, was Sie machen, ist ein Angriff auf Leib und Leben meiner Familie. Wenn Sie dabei bleiben, greife ich auch Ihr Leib und Leben an.“ Ulrike Scharf blieb cool, verwies ihn nicht des Saales, sagte aber: „Ich bitte Sie, diese Drohung zurückzunehmen. Lassen Sie uns vernünftig ins Gespräch kommen. Alles andere bringt doch nichts.“ Sie betonte immer wieder, dass man erst am Anfang der Planungen sei, man erst im nächsten Schritt auf die Details eingehe – dafür aber auf jeden Fall die Flächen vorläufig sichern wolle. „Wir wollen das Pferd nicht von hinten aufsatteln“, so Scharf weiter. Nach der offiziellen Veranstaltung, so schilderte es Erwin Joachim gestern Abend auf Nachfrage der DZ, habe er mit der Ministerin das Gespräch gesucht und die Sache geklärt.
Der Schwenninger Helmut Seiler wollte wissen, warum keine Polderflächen auf der südlichen Seite der Donau geprüft wurden. „Ich bitte um eine neue Studie. So ist das doch nicht vollständig“, sagte er. Professor Dr. Peter Rutschmann von der TU München antwortete: „Dazu gab es einen Grundsatzentscheid, dass man am Riedstrom nichts verändern will. Das war eine Auflage und ein politischer Entscheid. Außerdem ist der Riedstrom tatsächlich sehr effizient.“
Der Höchstädter Stadtrat Ludwig Kraus, der mit seiner Familie auf einem Bauernhof mitten in der Stadt und direkt an der geplanten Polderfläche lebt, sagte: „Natürlich unterstützen wir Hochwasserschutz. Keine Frage. Aber wir haben auf der einen Seite schon den Riedstrom, auf der anderen Seite das Überschwemmungsgebiet. Und jetzt auch noch Flutpolder. Ich denke, wir leisten schon lange einen Beitrag zum Hochwasserschutz. Ich habe einfach Angst, dass das Wasser nicht abfließt.“ Landrat Leo Schrell sah dies ähnlich: „Wir haben die Riedstrom-Problematik noch nicht geklärt und wir können sie einfach nicht von der Flutpolderproblematik trennen.“ Die Solidarität, die vom Landkreis geforderte werde, sei überfordert. Außerdem kritisierte er, dass bei der Studie keine Gesamtbetrachtung vorgenommen wurde. „Wir wissen um unsere Verantwortung in Sachen Hochwasserschutz. Aber auch wir erwarten Solidarität“, so Schrell.
Neu auf dem Podium in Höchstädt war Deggendorfs Landrat Christian Bernreiter. Er wurde geladen, um den Menschen die Notwendigkeit von Poldern zu verdeutlichen. Er sagte: „Leider sind bei uns zwei Deiche gebrochen. Deshalb ist es schon sinnvoll, Polder zu definieren. Ich bin mit voller Überzeugung davon heute da. Aber es kann natürlich nicht sein, dass sich auf Ihre Kosten andere einen Lenz machen.“
Das fürchtete auch Fabian Hurler. Der Schwenninger zweifelte daran, dass die Polder tatsächlich nur bei extremen Hochwasser geflutet werden. „Sie werden ihn nicht nur alle hundert Jahre fluten, das wäre rausgeschmissenes Geld. Und dann können wir unsere Felder vergessen und die Existenz der Landwirte ist bedroht“, so Hurler. Neumeier vom WWA entgegnete, dass es klare Betriebsvorschriften der Polder gebe, man erst bei einer bestimmten Wasserhöhe fluten dürfe. Aber: „In einem überregionalen Katastrophenfall kann auch geflutet werden. Aber das kommt wirklich extrem selten vor.“ "Seite 29
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