Wie die Krumbacher „Rettungsanstalt“ zum Übersiedlerheim wurde
Vor 30 Jahren bewegte die Kreisbewohner das Schicksal der Mauerflüchtlinge. Aber auch der Ausbau der B300 und die Wasserschloss-Sanierung waren große Themen.
Der Berliner Mauerfall im November 1989 und der im Gang befindliche B-300-Ausbau zwischen dem Krumbad und Oberrohr bilden die beherrschenden Diskussionsthemen im Frühsommer vor 30 Jahren. Der Altkreisbereich Krumbach und damit das Erscheinungsgebiet der Mittelschwäbischen Nachrichten war von dem Jahrhundertereignis in der bundesdeutschen Hauptstadt zwar nur indirekt betroffen. Aber schon einen Tag später treffen im Landkreis Günzburg 260 Übersiedler ein, von denen die Stadt Krumbach 80 aufzunehmen hat, die alle vorerst einmal im Kreisaltenheim in der Robert-Steiger-Straße unterkommen. Für Gesprächsstoff anderer Art sorgt die Umfahrung von Ursberg und Edenhausen, die gleichfalls schon Monate vorher und auch nach Beginn der Arbeiten kontrovers diskutiert wird.
In der damaligen Fabrikstraße
Die frühere von Klosterfrauen geleitete „Rettungs-Anstalt des Distrikts Krumbach“ in der damaligen Fabrikstraße ist durch die Kreisreform in den Besitz des Landkreises gekommen und wird gerade zum künftigen Kreishaus (das ist es heute noch) umgebaut. Die Arbeiten werden sofort eingestellt, das Haus für die neue Nutzung hergerichtet und vor allem Lebensmittel für die Neuankömmlinge gekauft. Der damalige Stadtrat und Sozialreferent Alfons Schier übernimmt auf Wunsch von Bürgermeister Georg Winkler ehrenamtlich ihre Betreuung. Er kauft Kochgeschirre, begleitet Eltern zu Behörden, Schule und Kindergarten, vermittelt den Männern und Frauen Arbeitsmöglichkeiten und hilft jedem, wenn es darum geht, neue Umsiedler unterzubringen oder sie von Krumbach wieder zu verabschieden.
Schier erinnert sich: „Es war für mich eine Wanderung zwischen Vorschriften und Bedürfnissen zur Eingliederung mir völlig unbekannter Menschen, die oft selbst nicht wussten, wo sie sich überhaupt befinden.“ Diese Arbeit beschäftigt ihn bis zum Sommer 1990. Sein Fazit: „Ich tat dies gern, weil ich Menschen helfen konnte.“ Da stört ihn dann auch nicht, dass er eine „offizielle Rüge“ von der Bezirksregierung bekommt. Der Grund: Er hatte noch eine Familie mit drei Kindern aufgenommen, obwohl das Kreishaus bereits voll belegt war.
Wo die B 300 ausgebaut wurde
Vor allem die Autofahrer gehören zu den Betroffenen beim in vollem Gang befindlichen Ausbau der B300 zwischen dem Heilbad Krumbad und St. Maria östlich von Oberrohr. Erste sichtbare Maßnahmen sind der Bau der Radwegunterführung westlich von Edenhausen sowie die Straßenbrücken nach Attenhausen und am Ursberger Friedhof, da sie abseits der neuen Trasse und damit ohne Vollsperrung gebaut werden können. Später folgen dann noch die Brücke über die „Linie“ östlich des Krumbads und die beiden Fußgängerunterführungen nahe Oberrohr. Umfangreiche Erdarbeiten sind außerdem am Ursberger Berg vonnöten. Insgesamt sind für die vier Brücken und drei Unterführungen vier Millionen und den eigentlichen Straßenbau neun Millionen Mark vorgesehen. Im Sommer 1992 sollte die neue B300 eingeweiht werden.
Es gibt im Frühsommer 1990 aber nicht nur Probleme. Zum Feiern hat der Markt Neuburg einen dreifachen Grund. Das 27. Bezirksmusikfest des Bezirks 11 wird zusammen mit der 140-Jahr-Feier der Musikkapelle zu einem mehrtägigen Erlebnis, das in der Ortsgeschichte einen besonderen Platz findet. Über 1500 Musiker beteiligen sich bei strahlendem Sonnenschein am Gemeinschaftschor und der Umzug durch den geschmückten Markt umfasst 80 Festwagen, Kapellen, Fahnenabordnungen und Fußgängergruppen, die von 10 000 begeisterten Zuschauern beklatscht werden. Da geht es bei der Einweihung des neuen Fußballplatzes in Langenhaslach acht Tage später schon etwas ruhiger zu.
Das 40. Thannhauser Volksfest
Festliche Tage ergeben sich aber auch beim 40. Thannhauser Volksfest, zu dem die Musikvereinigung eine Kapelle aus Lettland eingeladen hat. Nicht hinten anstehen wollen die Sportler und feiern mit gutem Recht das 100-jährige Bestehen der TSG. Zumindest Dorfereignisse sind das neue Feuerwehrgerätehaus in Oberrohr sowie die Erweiterung der gleichen Einrichtung in Balzhausen. Der Krumbacher Kleintierzuchtverein weiht sein größtenteils in ehrenamtlicher Selbstbeteiligung gebautes Vereinsheim ein und je 25 Jahre gibt es die Volkshochschule Krumbach und die Freundschaft der Wiesenbacher Musiker mit der Bürgerkapelle Eppan in Südtirol.
Politisch interessant sind die „Nachwehen“ der Kommunalwahl im März. Als Stellvertreter von Landrat Dr. Georg Simnacher wählen die Kreisräte den früheren Ichenhauser Bürgermeister Walfred Kuhn und den Krumbacher Alfons Schmid. Krumbach selbst begnügt sich mit einem Vize für Bürgermeister Georg Winkler, nämlich Willy Rothermel. In Thannhausen vertritt künftig Ludwig Mayer das Stadtoberhaupt Werner Sommer. Erwähnenswert ist weiter, dass die Gemeinderäte von Ebershausen den 24 Jahre als Ortschef erfolgreichen Adolf Albrecht mit dem Titel Altbürgermeister ehren.
Debatte um die Kreismülldeponie
Bleiben noch einige Schlagzeilen, die es wert sind, in Erinnerung gerufen zu werden: Monatelang dauert die Diskussion, wohin die künftige Kreis-Mülldeponie kommen soll, bei der auch einige Standorte im südlichen Bereich des Landkreises untersucht werden. Zuletzt „gewinnt“ Burgau/Unterknöringen - wenngleich unter erheblichem Protest. Erste Gespräche über eine Sparkassenfusion finden statt, in deren Verlauf sich Krumbachs Bankvorsitzender Hubert Schneider für einen Zusammenschluss zwischen den Geldinstituten Krumbach, Günzburg, Neu-Ulm und Illertissen einsetzt.
Er ist der Meinung, dass eine Landkreis-Sparkasse in der Zukunft zu klein wäre, dagegen eine „Regionalbank“ vier gleichstarke Partner schaffen würde. Weitere Themen: Der Landkreis Günzburg und die Stadt Krumbach gründen einen Zweckverband und kaufen die ehemalige Gastwirtschaft Krone, die mit dem benachbarten Altbau als Bauensemble zum heutigen Mittelschwäbischen Heimatmuseum umgestaltet wird. Grundlegend renoviert wird die Deisenhauser Pfarrkirche. Die beiden Krumbacher Fußballvereine Sportfreunde und FC 78 schließen sich zur Spielvereinigung zusammen und die Neu-Ulmer Firma Lingl verlegt ihren Firmensitz in ihr ständig wachsendes Zweigwerk Krumbach.
Zum Schluss ein noch erfreulicher Aspekt: Ad acta gelegt werden können die Protokolle und Pläne für die grundlegende Außen- und Innenrestaurierung des Hürbener Wasserschlösschens. Sie dauerte zehn Jahre und kostet rund 2,4 Millionen Mark. Sichergestellt ist die künftige Nutzung, die den Bauherren und Historikern erhebliche Sorgen bereitet hat, handelt es sich doch um Krumbachs mit Abstand ältestem Bauwerk, dessen Geschichte wohl bis ins Jahr 1478 zurückreicht.
Eine neue Nutzung für das Wasserschloss
Landrat Simnacher macht sich zum Fürsprecher und so richtet der Bezirk Schwaben zuerst eine Volksmusik- und Trachtenberatungsstelle ein. Eine langjährige Nutzung ist damit sichergestellt. 1999 wird der Bereich Trachten in eine schwäbische Forschungs- und Beratungsstelle für Trachten und Kleidungskultur umgewandelt und ins Landauer-Haus in der Hürbener Straße verlegt.
Und welche Ereignisse haben die Region Mittelschwaben vor 40 Jahren bewegt. Das können Sie hier nachlesen:
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