Emmanuel Macron stützt Angela Merkel
Mitten in Angela Merkels schwerer Regierungskrise kommt der wichtigste Verbündete - und springt ihr bei. Doch ziehen die anderen mit?
Dieser Mann ist eine willkommene Abwechslung. Und er bringt ihr mit, was sie zur Zeit am meisten braucht: Unterstützung im knallharten Asylstreit mit ihrem Innenminister Horst Seehofer (CSU). Mit Küsschen rechts und Küsschen links begrüßt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Kanzlerin Angela Merkel an der Treppe des Barockschlosses Meseberg, beide bestens gelaunt. Was für eine Idylle. Brandenburg statt Berlin. Aber eine Auszeit von der Regierungskrise, die Merkel um ihre Kanzlerschaft bangen lässt, ist auch die Landpartie mit Macron nicht. Eher der erste Schritt, um ihr Amt zu retten. Nach wochenlangen Verhandlungen kommt es im Schloss zum Feinschliff und mündet in der "Meseberger Erklärung", einer Blaupause für einen neuen Aufbruch für Europa in historisch schwieriger Zeit.
Seit 2007 ist Schloss Meseberg das Gästehaus der Bundesregierung - ein Kreis schließt sich: der erste Staatsgast, der hier von Merkel empfangen wurde, war Frankreichs damaliger Staatspräsident Jacques Chirac. Macron ist schon Nummer vier, Merkel ist immer noch da.
Aber so ernst war ihre Lage wohl noch nie. Zwei Wochen bleiben, um bi- oder multilaterale Lösungen zu finden, damit EU-Staaten wie Italien dort bereits registrierte Flüchtlinge zurücknehmen, wenn sie weiter nach Deutschland ziehen. Denn sonst will Seehofer diese Menschen nach einer Fingerabdruckkontrolle an der Grenze zurückweisen, ohne Klärung, was danach mit ihnen passiert. Merkel müsste Seehofer bei einem eigenmächtigem Handeln entlassen, die Koalition von CDU, CSU und SPD wäre am Ende. Aber womöglich auch Merkels Kanzlerschaft.
Macron geht dazwischen
Als Merkel und Macron vor die Presse treten, haben sie ein dickes Paket im Gepäck, vieles noch unkonkret, aber zumindest hat sich das entscheidende Tandem Berlin-Paris ("Mercron") grundsätzlich geeinigt.
Eigentlich soll die Reform der Wirtschafts- und Währungsunion im Fokus stehen, aber die wichtigste Nachricht für Merkel ist, dass Macron sie unterstützt in den Bemühungen, dass bereits in der EU registrierte Flüchtlinge so schnell wie möglich in das Land zurückgeschickt werden können, in dem sie erstmals erfasst worden sind. Es brauche ein "effizientes System der Solidarität und Verantwortung", in dem die Flüchtlinge bei ihrer Ankunft auf EU-Boden registriert würden und ein Asylverfahren begönne, betont Macron.
In Meseberg sind auch mehrere Minister beider Seiten dabei. Interessant beim Familienfoto: Merkel und ihr Widersacher Seehofer begegnen sich kühl, Macron geht dazwischen und packt Seehofer freundlich an den Armen. Als ob er ihn ermahnen will, denn wenn Merkel fällt, wird es auch nichts mit der Europa-Reform und die kriselnde EU könnte noch tiefer Richtung Abgrund taumeln.
Ein nationaler Alleingang Deutschlands birgt auch die Gefahr, dass andere Staaten dann Flüchtlinge gar nicht erst registrieren und nach Deutschland durchwinken - und dort dann mehr als derzeit ankommen. Das wäre dann das Gegenteil dessen, was Seehofer will. Aktuell kann übrigens von einer "Flüchtlingskrise" keine Rede sein. Zwischen Januar und März beantragten 34.400 Menschen Schutz in der Bundesrepublik - 25 Prozent weniger als im letzten Quartal 2017.
Macron ist aber etwas anderes noch viel wichtiger - und auch Merkel, denn ihnen geht es um das große Bild. Sie wollen Europa und besonders die Euro-Zone krisenfester machen - vor allem ökonomisch. Um damit auch den weiteren Aufstieg von Populisten und demokratiefeindlichen Kräften zu bremsen. Macron bekommt das von ihm geforderte Eurozonen-Budget, mit dem gerade strukturschwache Gegenden ab 2021 unterstützt werden sollen, um die enormen wirtschaftlichen Unterschiede auszugleichen - der Fall Griechenland hat gezeigt, dass das die gesamte Währungsunion sonst zum Einsturz bringen kann.
Höhe und Füllung des neuen Topfes für milliardenschwere Investitionen ist noch unklar - Merkel schweben etwa Einnahmen aus einer Steuer auf Finanzgeschäfte in Europa vor. Ein Europäischer Währungsfonds soll auch kurzfristige Kredite vergeben können, um besser möglichen Schocks begegnen zu können - in früheren Krisen mussten erst hektisch Rettungsschirme aufgebaut und beschlossen werden. Zudem sind verbindliche Regeln für die Banken in Europa geplant.
Zuletzt war Macron für seine europapolitischen Visionen der Karlspreis verliehen worden. Dabei war ihm der Kragen geplatzt. "In Deutschland kann es keinen ewigen Fetischismus für die Budget- und Handelsüberschüsse geben, denn sie sind auf Kosten der anderen gemacht", sagte er an Merkels Adresse mit Blick auf das Bremsen bei neuen Milliarden für Europa und sein Eurozonen-Budget. Nun kommt ihm Merkel entgegen, aber es ist nur ein deutsch-französischer Vorschlag.
Rund 50 Stunden hatten die Finanzminister Olaf Scholz und Bruno le Maire zuvor verhandelt - es ist eine überraschend konkrete Vorlage für die Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel am 28./29. Juni. Doch selbst wenn es beim EU-Gipfel vor allem in der Asylfrage greifbare Fortschritte geben sollte, kann es sein, dass diese Landpartie von Merkel und Macron die letzte der beiden "M"'s war. Wenn der CSU das Erreichte nicht genug ist - dann könnten auch die anderen Reformpläne erst einmal auf Eis liegen - und die EU-Krise noch größer werden. (dpa)
Die Diskussion ist geschlossen.