Europas Sozialdemokraten hoffen auf Rückenwind durch deutsche Ampel
Exklusiv Die Europäischen Sozialdemokraten erhoffen sich durch eine SPD-geführte Bundesregierung in Deutschland ein Wiedererstarken auf Europa-Ebene.
Die Sozialdemokraten in Europa haben seit einigen Jahren nicht allzu viel zu feiern. Umso freudiger wurde im Brüsseler Kreis der Sozialisten das Wahlergebnis aus Deutschland aufgenommen. Einige bewerten es bereits als Teil eines Trends. So siegte in Norwegen kürzlich die Arbeiterpartei bei der Parlamentswahl.
„Eine deutsche Regierung unter Olaf Scholz zeigt, zusammen mit dem guten Ergebnis der PD bei den italienischen Kommunalwahlen, dass wir eine sozialdemokratische Welle in der EU erleben“, sagte die Fraktionschefin der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament Iratxe García unserer Redaktion. „Wir müssen das Momentum nutzen, um auf eine progressive Agenda zu drängen“, betonte sie.
Sozialdemokraten kündigen stärkere Handschrift auf EU-Ebene an
Mit dem sich abzeichnenden Regierungswechsel in Deutschland werde auch in der EU eine noch stärkere sozialdemokratische Handschrift in der EU-Politik möglich. „Wir werden unsere Präsenz im Rat verstärken, wo bereits Staats- und Regierungschefs aus Spanien, Portugal und den drei nordischen Ländern vertreten sind“, erklärte sie.
Nachdem es keine Mehrheit konservativer Regierungen mehr gäbe, sei bereits die europäische Antwort auf die Corona-Krise mit dem massiven Investitionsprogramm des Wiederaufbaufonds ganz anders ausgefallen als die Sparpolitik in der Finanz- und Schuldenkrise.
Fraktionschefin nennt Scholz gute Nachricht für Europa
„Eine neue deutsche Regierung unter Olaf Scholz ist gerade in diesem historischen Moment eine sehr gute Nachricht für Europa“, sagte García. „Wir haben eine klare Vision“, betonte sie. „Den digitalen und den grünen Wandel durch neue wirtschaftliche Instrumente in Angriff nehmen auf der Grundlage von Solidarität und gemeinsamen Handelns", erklärte die Sozialdemokratin. Das 750 Milliarden Euro schwere Programm ist das größte Haushalts- und Finanzpaket in der Geschichte der EU.
SPD, Grüne und FDP arbeiten in Europa längst zusammen
Noch laufen die Gespräche zwischen SPD, Grüne und FDP, um Gemeinsamkeiten für eine mögliche Ampelkoalition herauszuarbeiten. Auf europäischer Ebene sind diese dagegen Alltag. Können die Sondierer in Deutschland also von ihren europäischen Kollegen lernen, auch wenn sich die Situation in Brüssel unterscheidet, weil es keine regierungstragende Mehrheit gibt? „Wir haben eine gute Zusammenarbeit, vor allem in den Ausschüssen“, sagte der FDP-Europaabgeordnete Jan-Christoph Oetjen unserer Redaktion.
Im EU-Parlament liege der Fokus mehr auf Inhalten, man arbeite über Parteigrenzen hinweg und sehr persönlich zusammen. Bei gesellschaftlichen Fragestellungen stünden die Liberalen traditionell den Grünen und den Sozialdemokraten näher. Bei umwelt- und wirtschaftspolitischen Themen dagegen gebe es mehr Gemeinsamkeiten mit den Christdemokraten. „Jede Konstellation hat immer ihre Herausforderungen.“ Gleichwohl sei man sich etwa beim Klimaschutz mit den Grünen im Ziel einig. „Die Unterschiede bestehen darin, wie wir es erreichen wollen.“
Grüne betonen Gemeinsamkeiten
Auch Daniel Freund, Europaabgeordneter bei den Grünen, findet, man könne Lehren aus Brüssel ziehen. „Wir müssen immer mit allen Demokraten reden und Mehrheiten finden.“ Seiner Erfahrung nach gebe es oft zunächst Absprachen zwischen den Grünen und Liberalen, bevor man zu „den Großen“ gehe. Die deutschen Grünen seien nahe dran an dem, was Frankreichs Präsident Emmanuel Macron möchte. Dessen Partei La République en Marche und die FDP wiederum gehören auf EU-Ebene der Renew-Fraktion an.
Gemeinsamkeiten zwischen den europäischen Grünen und Liberalen sieht Freund vor allem bei der Rechtsstaatlichkeit und dem Wunsch nach einer Reform der EU. Klare Differenzen dagegen gebe es bei den Themen Steuern und gemeinsame Investitionen. Auch wenn man zwischen Sozialdemokraten und Grünen häufiger Schnittmengen finde. „Es ist nicht immer ganz so einfach.“
Ähnliche Töne hört man hinter den Kulissen von Seiten der Sozialdemokraten. „Fröhliche Eintracht ist es nicht“, meinte ein Insider über die Spannungen, die hauptsächlich daher rührten, dass die Grünen stärker wurden. Gleichwohl sei es nicht so, „dass die, die in Berlin eine Koalition bilden, in der EU ein Herz und eine Seele sind – oder sein müssen“.
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