Seehofer fordert harte Strafen für Krawallmacher
Politiker aller Parteien stellen sich nach der Randale von Stuttgart hinter die Polizei. Innenminister Seehofer sieht "die Glaubwürdigkeit unseres Staates" in Gefahr.
Vor zwei Wochen musste sich die Polizei in Deutschland noch schmerzhaften Rassismusvorwürfen stellen, nach der Gewaltorgie von Stuttgart schließen sich die Reihen hinter den Beamten wieder. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fordert Respekt und Unterstützung für sie. „Wer Polizistinnen und Polizisten angreift, wer sie verächtlich macht oder den Eindruck erweckt, sie gehörten ,entsorgt’, dem müssen wir uns entschieden entgegenstellen“, sagte Steinmeier nach den Ausschreitungen vom Wochenende.
Zwischen 400 und 500 Krawallmacher waren in der Nacht zum Sonntag marodierend durch die Innenstadt gezogen, griffen Polizisten an und verletzten 19 Beamte. Am Montag wurden laut Polizei sieben Haftbefehle beantragt, unter anderem wegen Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung. Ein 16-Jähriger muss sich wegen versuchten Totschlags verantworten, weil er nach Angaben der Staatsanwaltschaft einem am Boden liegenden Studenten gezielt gegen den Kopf getreten haben soll.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verlangt harte Strafen für die Randalierer. „Ich erwarte, dass die Justiz den Tätern, die gestellt werden konnten oder noch können, auch eine harte Strafe ausspricht“, meinte der CSU-Politiker bei einem Besuch in Stuttgart. „Da geht es auch um die Glaubwürdigkeit unseres Rechtsstaates.“ Unterstützung bekommen die Ordnungshüter gerade von allen Parteien – von ganz links bis ganz rechts.
Verbale Angriffe auf Polizei von mehreren Seiten
Das war in den vergangenen Wochen anders. Ausgelöst durch die Proteste in den USA wegen der Polizeigewalt gegen Schwarze gerieten auch die deutschen Sicherheitskräfte in den Fokus. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken warf der Polizei hierzulande vor, dass ein Teil der rund 300.000 Beamten latent rassistisch sei. Die Antidiskriminierungsstelle der Bundesregierung hielt die pauschale Anschuldigung für gerechtfertigt.
In den letzten Tagen sorgte dann ein Text der linken Tageszeitung taz für Empörung bei den Polizisten. Sie wurden darin als Müll und Abfall tituliert. Seehofer hatte angekündigt, Strafanzeige gegen die Autorin des Stücks zu stellen. Danach intervenierte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der Innenminister ruderte zurück. Er wollte sich zunächst mit den Juristen seines Ministeriums beraten.
Videos aus der Krawallnacht hatten zunächst den Eindruck erweckt, auch in Stuttgart könnten Migranten mit der Polizei abgerechnet haben. Doch die Behörden erklärten rasch, dass sie keine politische Motivation sehen. Alkohol und Drogen hätten bei vielen jungen Männern die Sicherungen durchbrennen lassen. Darunter seien Deutsche mit und ohne Migrationshintergrund gewesen, genauso wie Ausländer. Die Polizeiführung rechnet sie der „Event- und Partyszene“ zu.
Pfeiffer: Corona-Krise als eine Ursache
Der Kriminologe Christian Pfeiffer hält diese Zuordnung hingegen für ungeeignet, um zur Ursache für den Gewaltausbruch vorzustoßen. Für Pfeiffer ist er Ausdruck der Corona-Krise. „Wir haben durch Corona viele Leute, denen die Felle wegschwimmen. Wir haben viele Verlierer durch Corona“, sagt Pfeiffer unserer Redaktion. Er meint damit, dass sich viele Menschen um Zukunft sorgen. Gewaltverstärkend haben sich laut Pfeiffer auch die Kontaktsperren ausgewirkt. „Menschen, die eingesperrt waren, sind aggressiver. Da ist viel aufgestauter Ärger vorhanden“, meinte der Kriminologe. Der Polizei in Stuttgart und in Deutschland Rassismus zu unterstellen, hält der 76-Jährige für einen unhaltbaren Vorwurf. „Für mich als SPD-Mitglied ist es geradezu peinlich, wie sich die SPD-Vorsitzende Esken geäußert hat. Das ist ein Schmarrn“, sagte Pfeiffer.
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