Teilausstieg aus Atomabkommen: Am Golf droht Krieg
Während sich der Iran teilweise aus dem Atomvertrag zurückzieht, verstärken die USA ihre Militär-Präsenz. Experten warnen vor der Eskalation. Europa steckt in der Bredouille.
Bewusst wählte der iranische Präsident Hassan Ruhani den 8. Mai für seine Erklärung: Vor genau einem Jahr hatte US-Präsident Donald Trump den Rückzug Amerikas aus dem internationalen Atomvertrag JCPOA von 2015 bekannt gegeben, der den Iran am Bau von Atomwaffen hindern soll. Seitdem versucht die US-Regierung, den Iran zu neuen Gesprächen über strengere Auflagen für Teheran zu zwingen. Zu den US-Maßnahmen gehören Sanktionsdrohungen gegen Staaten und Unternehmen, die Öl aus Iran kaufen oder dort Handel treiben. Der Iran stellt nun im Gegenzug die Zukunft der Vereinbarung insgesamt infrage, indem er sich an Teile nicht mehr gebunden fühlt.
Ruhani will vor allem die Europäer dazu bringen, ungeachtet der US-Sanktionen den Handelsaustausch sicherzustellen, um die iranische Wirtschaft vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Deshalb werde der im Atomvertrag vorgesehene Export angereicherten Urans und schweren Wassers gestoppt, was zumindest theoretisch weitere Schritte im Atomprogramm ermöglicht.
Iran steigt aus Atom-Abkommen aus - Europa steckt in der Zwickmühle
Wenn innerhalb von 60 Tagen keine Lösung mit den restlichen Vertragspartnern Deutschland, Frankreich, Großbritannien, China und Russland für den iranischen Öl- und Bankensektor gefunden werden sollte, will Teheran mit der hochgradigen Anreicherung von Uran beginnen. Das wäre das Ende des Atomabkommens und könnte ein Schritt hin zum Bau einer Atombombe sein. Ruhani droht auch damit, Drogen und Flüchtlinge aus dem östlichen Nachbarstaat Afghanistan nach Europa durchzulassen.
Der iranische Präsident, ein Befürworter des Atomvertrages, steht seit Trumps Ausstieg aus dem Abkommen unter hohem Druck von Hardlinern. Seine Erklärung ist deshalb auch ein Versuch, innenpolitische Kritiker zu besänftigen.
Europa, China und Russland wollen auch ohne die USA an dem Vertrag festhalten. Der iranische Teilausstieg bringt sie aber in die Bredouille. Trotz aller Bemühungen haben sie bisher keinen praktikablen Weg gefunden, um den Iran-Handel vor den US-Sanktionen zu schützen. Das liegt vor allem daran, dass kein europäisches Unternehmen das Risiko eingehen will, bei Kontakten mit Teheran den Zugang zum amerikanischen Markt zu verlieren.
Als UN-Vetomacht und Partnerin des Iran im Syrien-Konflikt gab die russische Regierung den USA die Schuld an der Eskalation. Ruhanis Erklärung sei eine Folge des US-Ausstiegs aus dem Atomvertrag, erklärte der Kreml. Die Moskauer Vorwürfe an die USA werden auch von vielen europäischen Politikern geteilt. Kritiker werfen der Trump-Regierung vor, den Sturz des Mullah-Regimes in Teheran anzustreben, um vor der Präsidentenwahl 2020 der eigenen rechtsgerichteten Wählerbasis und pro-israelischen Gruppen in den USA zu gefallen.
USA erhöhen Militär-Präsenz am Golf - Experten befürchten Eskalation
Hardliner wie Trumps Sicherheitsberater John Bolton und Außenminister Mike Pompeo sprachen zuletzt von aggressiven Aktionen der Iraner. Dabei soll es sich um Raketentransporte gehandelt haben. Pompeo sagte am Dienstag ein Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel kurzfristig ab und flog dafür nach Bagdad, um mit der irakischen Führung über die angebliche Bedrohung durch den Iran zu beraten.
Selbst in normalen Zeiten sind zehntausende Soldaten sowie starke Marine- und Luftwaffenverbände der USA am Golf stationiert. Nun werden zusätzlich ein Flugzeugträger und Langstreckenbomber in die Region verlegt. „Man kann sich nur schwer des Eindrucks erwehren, dass die USA auf dem Weg zu einem Krieg mit dem Iran sind“, sagte der Züricher Nahost-Experte Roland Popp unserer Redaktion.
Auch im Iran drohen Verfechter eines harten Kurses immer wieder mit Aktionen, die eine militärische Antwort der USA auslösen würden. Dazu gehört die Ankündigung, falls nötig die Straße von Hormus im Persischen Golf zu sperren und damit den internationalen Handel mit Öl empfindlich zu stören.
Militärisch sind die USA weit überlegen. Allerdings verfügt der Iran über gut ausgebildete Truppen – und über die Möglichkeit zu Vergeltungsschlägen, sollten die Amerikaner oder Verbündete wie die Israelis iranische Atomanlagen aus der Luft angreifen. Amerikanische Stützpunkte von Syrien bis nach Afghanistan würden dann zu möglichen Zielen, sagte Popp.
Selbst wenn beide Seiten eine militärische Eskalation vermeiden wollen, könnten sie in einen Konflikt hineinschlittern. Da die diplomatischen Kontakte immer mehr verkümmern, könnten ein lokaler Zwischenfall oder selbst ein Unfall einen „Krieg aus Versehen“ auslösen. „Die Lage kann sehr schnell eskalieren“, sagte der in den USA lebende Iran-Experte Arash Azizi unserer Redaktion.
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Warum kann man nicht die USA Boykottieren? Wenn ein Vertragspartner einseitig ein Abkommen kündigt, ist dieser für die Folgen verantwortlich. Sanktionen von dem "Abtrünnigen" gegen Staaten zu verhängen, welche sich an die Vereinbarungen halten sind schizophren! Wo bleibt da die UNO und bremst so ein Verhalten?!? Auch der jetzige militärische Auftritt im persischen Golf durch die USA schürt weitere, nicht kalkulierbare Konflikte. Ohne ein Mandat der UNO müsste ein solche Verhalten verboten und sanktioniert werden. Wer bremst diesen Verrückten?!?