U-Ausschuss soll Scheuers Vorgehen bei Pkw-Maut durchleuchten
Für CSU-Minister Andreas Scheuer geht es im Untersuchungsausschuss zur Pkw-Maut ums politische Überleben. Nicht nur die finanziellen Folgen sind hochbrisant.
Lange hat die Opposition gedroht, am Dienstagnachmittag machten die Abgeordneten von Linken, Grünen und FDP ernst: Auf ihren Fraktionssitzungen setzten die Parlamentarier eigenhändig ihre Unterschrift unter den Antrag eines Untersuchungsausschusses. Denn mindestens ein Viertel aller Abgeordneten müssen es sein, damit das viel zitierte „schärfste Schwert der Opposition“ zum Einsatz kommt.
Es baumelt nun an einem dünnen Faden über der Karriere von CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer. Denn der forsche Niederbayer hat bei dem Prestigeprojekt seiner Partei deutlich mehr aufs Tempo gedrückt, als sogar sein CSU-Vorgänger Alexander Dobrindt, der einst die „Ausländermaut“ als Wahlkampfschlager für die Bundestagswahl 2013 erfunden hatte.
Pkw-Maut: Dobrindt zögerte mit der Auftragsvergabe
Dobrindt brachte zwar das an einer Klage Österreichs vor dem Europäischen Gerichtshof gescheiterte Gesetz auf den Weg. Doch als Minister zögerte er bis zum Ende seiner Amtszeit, die Auftragsvergabe für den Mautbetrieb unterschriftsreif festzuklopfen. Obwohl es Dobrindt zur Überraschung seiner Kritiker, aber auch vieler Koalitionspolitiker, schaffte, nach zähem Ringen das Okay der Brüsseler EU-Kommission einzuholen.
Scheuer könnte es nun zum Verhängnis werden, dass er nicht nur vor der Entscheidung des EuGH die Verträge mit den Betreiberfirmen unterzeichnete. Auch der Inhalt der Verträge ist brisant: So sollen die beiden Betreiberfirmen, der ausgerechnet aus dem Klägerland Österreich stammende Mautspezialist Kapsch TrafficCom und der deutsche Konzertticket-Händler CTS Eventim, nicht nur hohe Schadenersatzansprüche ausgehandelt haben, falls die Maut scheitert.
Muss der Bund hunderte Millionen für Nichts zahlen?
Laut Berechnungen von Experten beinhalten die Verträge außergewöhnliche Gewinnspannen angesichts einer gewaltig hohen Umsatzrendite von bis zu 24 Prozent. Einen Vorgeschmack auf die zu erwartenden Schadenersatzforderungen lieferte Kapsch bereits am Dienstag: Die österreichische Aktiengesellschaft schraubte ihre Gewinnerwartung für das Geschäftsjahr 2019/20 wegen der geplatzten Maut von über 60 auf 35 Millionen Euro herunter. Da die Betreiber garantierte Einnahmen über zwölf Jahre zugesichert bekommen haben, könnten die Schadenersatzansprüche beider Firmen in die hunderte von Millionen Euro gehen: Der Bund müsste damit teuer für Nichts bezahlen.
Zum gefährlichsten Punkt für Scheuer könnte allerdings noch ein weiterer Punkt werden. Laut verschiedenen Medienberichten soll Eventim-Chef Klaus-Peter Schulenberg bei einem lange geheim gehaltenen Treffen am 22. November 2018 im Verkehrsministerium dem Minister angeboten haben, die Betreiberverträge erst nach dem EuGH-Urteil zu unterzeichnen, was Scheuer jedoch abgelehnt habe.
Maut-Untersuchungsausschuss: Spannende Aussagen unter Eid erwartet
Dabei soll der Minister ausgerechnet wahltaktische Gründe genannt haben: Der Start der Maut sollte wegen möglicher Anlaufprobleme nicht in den Bundestagswahlkampf 2021 fallen. Scheuer weist diese Darstellung entschieden als Verleumdung zurück. Im Ausschuss dürfte die Opposition darauf drängen, nicht nur den Minister und einen anwesenden Staatssekretär, sondern auch Eventim-Chef Schulenberg unter Eid zu vernehmen.
Lange hatte insbesondere die Linke gezögert, den vielfach von Grünen und FDP angedrohten Untersuchungsausschuss mit zu unterstützen. Scheuer hatte nach mehrfachen Ultimaten der Opposition die Maut-Verträge offengelegt und stapelweise Akten kameragerecht auf Karren dem Bundestag übergeben. Nachdem aber der Minister weitere zuvor nicht genannte Geheimtreffen mit den Mautbetreibern einräumen musste, war die Entscheidung für den Untersuchungsausschuss klar.
Opposition nennt U-Ausschuss zur Maut unumgänglich
„Minister Scheuer hat durch sein Handeln erheblichen finanziellen Schaden für alle Steuerzahler verursacht, deshalb muss er die politische Verantwortung übernehmen und für Transparenz sorgen“, begründet Linke-Fraktionsvizechefin Gesine Lötzsch die Entscheidung. „Das hat er bisher nicht getan, deshalb ist ein Untersuchungsausschuss unumgänglich“, betont sie. „Wenn ein normaler Beschäftigter grob fahrlässig handelt und eine schwere Pflichtverletzung begeht, dann kann er finanziell zur Verantwortung gezogen werden oder sogar seine Arbeit verlieren.“
Insgesamt 13 Hauptpunkte wollen Linke, FDP und Grüne in dem Ausschuss untersuchen. Die meisten zielen dabei auf Scheuer selber ab. Auch die Höhe des Schadens soll untersucht werden: Hier werden die Oppositionspolitiker aber womöglich schnell Antworten bekommen: Wie es heißt, haben die beiden Firmen Kapsch und Eventim nur noch bis Dezember Zeit, um ihre Ansprüche anzumelden.
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