Müntefering: Arbeitslose sind Merkel egal
SPD-Chef Franz Müntefering hat einen harten Wahlkampf um das Thema Arbeit angekündigt und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dabei persönlich angegriffen.
Berlin (dpa) - Sechs Wochen vor der Bundestagswahl wird der Ton inder großen Koalition rauer. Die SPD greift Kanzlerin Angela Merkel(CDU) unter dem Druck schwacher Umfragewerte nun auch persönlich an.Die CDU nannte die Attacken unsinnig.
FDP-Chef Guido Westerwellesagte, er strebe eine Koalition mit der Union an. Der CSU-VorsitzendeHorst Seehofer mäßigte seine Angriffe auf die Freidemokraten.
SPD-KanzlerkandidatFrank-Walter Steinmeier warf Merkel Unehrlichkeit bei den in Aussichtgestellten Steuersenkungen vor. Parteichef Franz Müntefering hielt ihrin der "Bild am Sonntag" vor, nur an ihrer Karriere interessiert zusein: "Die große Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist ihr egal."Merkel weigere sich, wie die SPD ein Konzept gegen die Arbeitslosigkeitvorzulegen. "Das lassen wir nicht durchgehen."
CDU-GeneralsekretärRonald Pofalla erklärte, die Attacken von Müntefering und Steinmeierzeigten "nur die Hilflosigkeit, in der sich die SPD befindet". Ziel derCDU bleibe Arbeit für alle. "Unseriöse Versprechen zuArbeitsplatzzahlen, wie Herr Steinmeier sie vornimmt, wird es mit unsnicht geben." CDU-Vize Roland Koch nannte die Vorwürfe Münteferings im"Hamburger Abendblatt" (Montag) "einfach unanständig". Die Reaktion desSPD-Chefs sei mit den Umfragewerten zu erklären, aber nicht zuentschuldigen.
Steinmeier sagte in der ARD über Merkel: "Sie hatnoch einmal Steuersenkungen versprochen, die nicht kommen werden.Gleichzeitig sagt sie zur Debatte um den Soli(daritätszuschlag)nichts." Das zeige: "Die CDU sagt den Wählern vor der Wahl nicht, wassie nach der Wahl vorhat. Ehrlichkeit sieht für mich anders aus." InWeimar sagte Steinmeier, die CDU sei "ideen- und kraftlos". In einerSendung von RTL und n-tv verteidigte Steinmeier sein Ziel, bis 2020praktisch Vollbeschäftigung in Deutschland zu erreichen. EntsprechenderSpielraum sei vorhanden.
Merkel, der in der FDP nachgesagt wird,mit einer Fortsetzung der großen Koalition zu liebäugeln, machte beimParteitag der Niedersachsen-CDU in Hildesheim deutlich, dass auch dieUnion Vollbeschäftigung erreichen will. Im "Focus" hatte sie zudemSteuererhöhungen ausgeschlossen. Zugleich betonte Merkel, die von derUnion versprochenen Steuererleichterungen seien ein Schritt zur"Motivation derer, die in diesem Land in der Krise den Karren ziehenund die Leistungsträger sind". Für sie solle in der nächstenWahlperiode die Steuerprogression in zwei Stufen gemildert werden.
DieFDP knüpft an eine Koalition mit der Union Bedingungen. ParteichefGuido Westerwelle verlangte im "Spiegel" unter anderem ein neuesSteuersystem, eine Verdreifachung des Schonvermögens für Hartz-IV-Empfänger sowie Korrekturen bei den Einschränkungen vonBürgerrechten. "Ich werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, indem nicht ein neues, faires Steuersystem verankert ist." Die FDP willdie Bürger trotz Wirtschafts- und Finanzkrise um 35 Milliarden Euroentlasten. SPD-Finanzminister Peer Steinbrück kritisierte im "HamburgerAbendblatt": "Was Union und FDP an Steuersenkungen versprechen, istangesichts der Haushaltslage völlig absurd."
Westerwelle hälteine Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen für ausgeschlossen. Die SPDsei "in ihrem jetzigen Zustand nicht regierungsfähig". In derARD-Sendung "Bericht aus Berlin" sagte er auf die Frage, ob er Merkelvertraue, dass sie eine schwarz-gelbe Regierung auch bei nur einerStimme Mehrheit bilden wolle: "Ich setze darauf, dass das Wort von ihrgilt." Die FDP strebe eine bürgerliche Mehrheit an. "Und jetzt lassenwir das mal stehen, dass Herr Seehofer sich an uns abarbeitet. DieKanzlerin hat Klartext geredet."
CSU-Chef Horst Seehofer mäßigteseine Angriffe auf die FDP. Der "Frankfurter AllgemeinenSonntagszeitung" sagte er, nach anfänglichen Zweifeln glaube er nun,dass Westerwelle tatsächlich mit der Union regieren wolle. Allerdingsforderte er Westerwelle erneut auf, einen entsprechendenParteibeschluss herbeizuführen. CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder(CDU) appellierte in der "Bild am Sonntag" an die CSU, sich zu mäßigen:"Es reicht."
Steinbrück kritisierte auch die steuerpolitischenVorschläge von Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU).Diese "bergen massive Risiken für eine konjunkturelle Erholung", sagteer der Internetausgabe der "Frankfurter Rundschau". Ausgerechnet in derWirtschaftskrise wolle Guttenberg den Gemeinden "dieGewerbesteuereinnahmen wegstreichen".
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