Orientierungslose Euro-Retter
In Berlin herrscht großes Durcheinander, wie Pleiteländer gestützt werden können.
Die Lage ist ernst – und das Durcheinander groß. Ein Dissens mit Frankreich? Steffen Seibert kommt aus dem Dementieren nicht mehr heraus. Nein, die Kanzlerin sei nicht sauer auf Nicolas Sarkozy, weil der sich im Streit um den neuen Rettungsfonds keinen Millimeter bewege. In dieser Frage, sagt der Regierungssprecher, gebe es „keine grundsätzliche Uneinigkeit“.
Bei Philipp Rösler dagegen klingt das nicht ganz so harmonisch. Früh am Morgen schon hat der Wirtschaftsminister im ZDF noch das Gegenteil behauptet: Frankreich, warnt er da, wolle den Fonds zu einer Art Bank ausbauen, die ihr Geld nicht nur von den Euro-Ländern erhält, sondern auch selbst Kredite bei der Europäischen Zentralbank aufnehmen darf. „Genau das“, sagt Rösler, „wäre mit uns nicht zu machen.“ Die Sorge, dass die Summen, die im Feuer stehen, immer höher werden und die Risiken für den deutschen Steuerzahler auch, ist nicht zu überhören. Der bisherige Haftungsrahmen von 211 Milliarden, warnt auch Volker Kauder, der Fraktionschef von CDU und CSU, dürfe nicht überschritten werden.
Keine Banklizenz
Berlin, kurz vor dem EU-Gipfel am Wochenende. Angela Merkel hat ihre ursprünglich für diesen Freitag vorgesehene Regierungserklärung abgesagt, mit welcher Linie sie in die Verhandlungen in Brüssel geht, bleibt allerdings auch nach den Sondersitzungen der Regierungsfraktionen unklar. Sicher ist bis zum Nachmittag nur eines: Eine Banklizenz für den EFSF wird es mit Deutschland auf keinen Fall geben. „Das wäre der Zugang des Rettungsfonds zur Notenpresse“, warnt FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle. Die rote Linie für das Treffen der Finanzminister am heutigen Samstag und das der Staats- und Regierungschefs am Sonntag ist damit gezogen. Mehr aber auch nicht.
Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit, sagt Angela Merkel vor den Abgeordneten der Union. Sie deutet zwar an, dass Griechenland vermutlich deutlich mehr als die bisher geplanten 21 Prozent an Schulden erlassen werden sollen, die Frage allerdings, die die Parlamentarier an diesem Vormittag am meisten beschäftigt, bleibt unbeantwortet: Wie soll der Rettungsfonds, der auf keinen Fall eine Bank werden darf, denn dann arbeiten?
Bleibt es bei der bisher geplanten Lösung, nach der der EFSF bei der Pleite eines Staates wie eine Teilkaskoversicherung zumindest für 20 Prozent der betroffenen Staatsanleihen geradesteht? Oder engagiert sich möglicherweise der Internationale Währungsfonds stärker, wie in Regierungskreisen neuerdings kolportiert wird. Prinzipiell kann dort jedes europäische Land einen Kredit aufnehmen; Polen zum Beispiel nutzt diese Möglichkeit bereits – ist im aktuellen Fall aber außen vor, da es den Euro noch nicht eingeführt hat.
Auch Westerwelle hat Pläne
Außenminister Guido Westerwelle will den EFSF gar zu einem eigenen europäischen Währungsfonds ausbauen, der im Falle eines Falles das Krisenmanagement in einem taumelnden Land übernimmt und notfalls auch deren geordnete Insolvenz anordnen kann. Ja, es gebe entsprechende Überlegungen im Ministerium, bestätigt ein Sprecher des Auswärtigen Amtes, angeordnet vom Minister höchstselbst.
Mit jedem neuen Vorschlag allerdings wird die Lage noch unübersichtlicher, selbst erfahrene Regierungsbeamte wagen am Freitag keine Prognose, wie das große Feilschen am Wochenende ausgehen wird. Oppositionschef Frank-Walter Steinmeier dagegen fühlt sich bestätigt. Die Regierung, kritisiert der frühere Außenminister, habe die vergangenen Wochen nicht genutzt, um eine europäische Einigung vorzubereiten. „Wenn das so weitergeht, befürchte ich Schlimmes.“
Die Diskussion ist geschlossen.