Warum Aichach-Friedbergs Behindertenbeauftragter Josef Koppold aufhört
Josef Koppold wurde vor über 20 Jahren hauptamtlicher Behindertenbeauftragter in Aichach-Friedberg. Damals war er eine Besonderheit in Bayern.
Josef Koppold ist Anfang 1999 eine bayerische Besonderheit. Außer ihm gibt es gerade mal eine Handvoll weiterer Behindertenbeauftragter, die in Landkreisen hauptamtlich tätig sind. Der 33-Jährige, den ein tragischer Unfall bei einem Jaudusfeuer acht Jahre zuvor in den Rollstuhl gebannt hat, beginnt Pionierarbeit zu leisten. Damals in den 90ern, ist es einem Rollstuhlfahrer in Aichach nicht möglich, selbstständig die Straßenseite zu wechseln. Doch Koppold will möglichst viel Selbständigkeit erreichen - für sich und andere Betroffene.
Ein tragischer Unfall steht am Anfang des Weges von Josef Koppold
Damals fährt im nördlichen Landkreis kein einziger Niederflurbus, es gibt keine barrierefreien Haltestellen. Viele Geschäfte seien nicht zugänglich, es gebe keine barrierefreie öffentliche Toilette, geschweige denn nutzbare Gastwirtschaften, zählt Koppold auf. Heute, über 20 Jahre später, sagt der 55-Jährige: "Wir haben viel erreicht." Viele Barrieren sind verschwunden.
Bis dahin ist es ein beschwerlicher Weg. Er beginnt an jenem unglückseligen Ostersamstag 1991, als beim Jaudusfeuer an einem Baggersee bei Mühlhausen (Affing) senkrecht aufgerichtete Baumstämme umfallen. Ein Freund stirbt bei dem Unglück. Koppold wird schwer verletzt, querschnittsgelähmt. Bis er zum Sprachrohr für andere Betroffene wird, geht er durch viele Täler. Auch der Gedanke, nicht mehr leben zu wollen, kommt auf. In der Unfallklinik in Murnau muss er schließlich erkennen, "dass das Leben weitergeht mit oder ohne mich". Koppold entscheidet sich für das Leben und erkennt später: "Vielleicht ist es eben meine Aufgabe, dass ich jetzt Vertrauter und Sprecher sein kann."
Damit beginnt Koppold schon 1996 ehrenamtlich. Doch bald stellt er fest: Während er vormittags im Landratsamt arbeitet, fallen die Entscheidungen. Im damaligen Landrat Theo Körner findet er große Unterstützung. So kommt es, dass der Landkreis 1999 einen hauptamtlichen Behindertenbeauftragten installiert: Es ist eine Halbtagsstelle für Koppold, der 50 Prozent von einer Teilminderungsrente lebt.
Josef Koppold engagiert sich auch in München für die Belange Behinderter
Der Behindertenbeauftragte legt los. Er knüpft Kontakte zu den wenigen anderen Kollegen in Bayern. Sie alle teilen eine Erfahrung: Mit dem guten Willen lässt sich nichts ändern, wird nicht einmal ein Bordstein abgesenkt. Es braucht ein Gesetz, um eingeschränkten Menschen ein selbstständiges Leben zu ermöglichen. Koppold und seine Kollegen engagieren sich für eine Entwicklung, die 2003 in das Gleichstellungsgesetz mündet.
Rückblickend berichtet Koppold von einer "schönen und spannenden Zeit". Er ist oft in München. Dort lernt er auch Ministerpräsident Edmund Stoiber kennen, der der Ansicht ist, dass ein Behindertenbeauftragter im Bayerischen Kabinett reichen müsste. Koppold widerspricht: "Wir wollen und müssen selbstbestimmt leben." Dazu, so seine Überzeugung, gehörten flächendeckend Behindertenbeauftragte. Denn was helfe es einem Rollifahrer, wenn in Aichach die Bordsteine abgesenkt seien, und er dann nach Schrobenhausen komme, nennt er ein Beispiel. Die Forderung wird erfüllt.
Koppold erklärt "Fußgängern" die Probleme von "Rollifahrern"
Als Behindertenbeauftragter erklärt Koppold "Fußgängern", wie er sie nennt, welche Hindernisse einem Rollifahrer den Weg versperren, denn "Ankläger", so betont er, "wollte ich noch nie sein." Er setzt auf ein Miteinander, Beratung ist sein Ziel. Aber er hat nun ein gutes Argument an der Hand: das Gesetz, das auch private Bauherren zu barrierefreien Zugängen bei öffentlich zugänglichen Gebäuden verpflichtet. Sie sind im heutigen Aichach, wo Koppold in den 90ern noch Stadträte in Rollstühle setzen ließ, damit sie Barrieren am eigenen Leib erfahren, eine Selbstverständlichkeit - ebenso wie abgesenkte Bordsteine. Heute braucht Koppold keinen mehr, der ihm über die Straße hilft.
Der Behindertenbeauftragte investiert viel Überzeugung und Herzblut in all den Jahren. Mit seiner Gesundheit aber möchte er nicht bezahlen. Der 55-jährige Familienvater sagt: "Ich merke, dass ich älter werde und mich gesundheitlich mehr pflegen muss." Er war immer viel unterwegs. Erste Warnsignale hätten ihm gezeigt, dass er sich mehr entlasten müsse. Nach 35 Jahren Berufstätigkeit, davon 30 im Rollstuhl, hat Koppold um die Rente eingegeben. Zum 1. Januar wurde ihm die Erwerbsminderungsrente gewährt. Zu den Beweggründen zählt auch die Hinzuverdienstgrenze. Sie bewirkte bei Koppold immer wieder satte Abzüge, wenn seine Einkünfte diese Grenze etwa wegen einer Tariferhöhung um wenige Euro überschritten. "Das System ist nicht nachvollziehbar", kritisiert Koppold. Es sei diskriminierend und habe mit Teilhabe am Arbeitsleben nichts zu tun.
Komplett zur Ruhe setzt sich Koppold nicht. Ab Januar unterstützt er die neue Behindertenbeauftragte Ramona Sulzberger ehrenamtlich. Weil diese "Fußgängerin" ist, steht er weiterhin für die Beratung "vom Betroffenen zum Betroffenen" zur Verfügung. Auch im Landesbehindertenbeirat bleibt er. Denn wenn auch in den vergangenen 20 Jahren viel erreicht worden ist, gibt es noch viel zu tun, solange ein Rollstuhlfahrer eine Zugfahrt in Deutschland drei Tage vorher anmelden muss. Solche Dinge sorgen bei Koppold bis heute für Kopfschütteln.
Kontakt: Josef Koppold hält künftig Montagnachmittag Sprechstunden im Landratsamt ab. Der Kontakt läuft über die hauptamtliche Behindertenbeauftragte, Ramona Sulzberger, 08251/92334.
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