Politischer Aschermittwoch verliert an Schärfe
Beim politischen Aschermittwoch war früher der Spott deftiger und das Feindbild klarer. Von Uli Bachmeier
Wortgewaltige Haudrauf-Politik, Deftigkeiten hart an der Grenze zur Beleidigung und beißender Spott für die Konkurrenz - das sind die Zutaten, die dem politischen Aschermittwoch in Niederbayern traditionell seine Würze geben. Ex-CSU-Chef Franz Josef Strauß hat ihn berühmt gemacht mit Sprüchen wie: "Es stimmt nicht, dass ich jeden Tag zum Frühstück einen Sozi esse. Ich esse nur, was ich mag."
1986 im Wahlkampf sagte er über den SPD-Kandidaten und späteren Bundespräsidenten Johannes Rau: "Der kann seine Füße in den Kanzlerkandidatenschuhen umdrehen, ohne dass die Richtung der Schuhe verändert wird."
Edmund Stoiber eiferte seinem Vorvorgänger nach und übertraf ihn manchmal sogar. Über Grünen-Chefin Claudia Roth giftete er einst: "Die hat doch nicht alle Nadeln an der grünen Tanne."
Tja, das waren noch Zeiten. Da regierten in Berlin noch Gerhard Schröder und Joschka Fischer und die CSU hatte ein klares Feindbild. Jetzt regiert Schwarz-Gelb in Berlin wie in München. Wen soll CSU-Chef Horst Seehofer da abwatschen? FDP-Chef Guido Westerwelle? Oder gar Parteifreunde aus der CDU wie Bundesumweltminister Norbert Röttgen, der einen schnellen Atomausstieg will? Es wäre nicht das erste Mal, dass die CSU mit Stammtischparolen ihre eigenen Partner in der Bundesregierung attackiert.
Doch Seehofer ließ bereits ausrichten, dass nichts dergleichen geplant sei. Sogar Westerwelle soll - Hartz IV hin oder her - in Passau heute geschont werden. "Der politische Gegner sind SPD, Grüne und Linkspartei", sagt CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Offenbar will Seehofer kein zusätzliches Öl ins Feuer gießen. Zumindest ist das der Plan. Ob sich der bekannt spontane CSU-Vorsitzende an sein Manuskript hält, weiß man allerdings immer erst hinterher.
Deutlich weniger zurückhaltend geben sich die Liberalen, die in der Stadthalle Straubing ihren Frontmann Westerwelle in die Polit-Bütt schicken. "Kritik an der CSU ist für uns kein Tabu", kündigte Landesgeschäftsführer Martin Hagen an.
Meinungsverschiedenheiten zwischen FDP und CSU gibt es zur Genüge. Die FDP will die Kopfpauschale in der Krankenversicherung. Die CSU lehnt diesen Plan vehement ab. Westerwelle wettert in der Hartz-IV-Debatte gegen "spätrömische Dekadenz". Seehofer will den Sozialstaat gegen neoliberale Tendenzen verteidigen. Reizthemen, Fettnäpfchen und Fallstricke wohin man blickt.
Im Hintergrund stichelt auch noch Edmund Stoiber. Er legte die Latte für Seehofer schon mal ziemlich hoch. "Der Aschermittwoch", so mahnte Stoiber, "ist ein Schlüsseltermin, ein Markenzeichen der CSU: die ganz große Abrechnung mit dem politischen Gegner, die große Perspektive zur politischen Lage und über die Zukunft."
Die Opposition hat es heute leichter. Sie kann aus dem Vollen schöpfen: schwarz-gelber Dauerzwist in Berlin, Landesbank-Affäre in Bayern, Atomstreit in der Union, Finanznot der Städte und Gemeinden. Viel Stoff für starke Sprüche. "Wir werden ihnen volle Breitseite geben", sagt Natascha Kohnen, Generalsekretärin der Bayern-SPD. Uli Bachmeier
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