Die Stimmung ist eine andere geworden, als Theo Waigel zum Ende des CSU-Parteitags die Münchner Messehalle verlässt. „Ich sage Ihnen, das geht wieder nach oben – bis an die 40 Prozent“, sagt der frühere CSU-Vorsitzende und stellt dem amtierenden Parteichef ein astreines Zeugnis aus. Markus Söder habe im Umgang mit den Freien Wählern, die gleichzeitig Wunschpartner in der Regierung und Konkurrent im Wahlkampf sind, „eine richtige Abwägungsentscheidung“ getroffen. Er habe sich in der Sache ganz klar von Hubert Aiwanger abgegrenzt. Den Chef der Freien Wähler persönlich zu attackieren, sei nicht nötig gewesen, sagt Waigel und liefert eine Begründung für seinen Optimismus: Eine Landtagswahl sei eine ernsthafte Angelegenheit, das wüssten die Wählerinnen und Wähler. Das werde sich, je näher der Wahltag rückt, auch zeigen.
Wochenlang hatte er sich in seinen Reden über Aiwanger ausgeschwiegen
Dass die Situation ernst ist für die CSU, mag bei diesem Parteitag niemand bestreiten. Die Umfragewerte lagen in den Tagen davor bei etwa 36 Prozent, während die Freien Wähler im Gefolge der Aiwanger-Affäre kräftig auf 17 Prozent und die AfD leicht auf 14 Prozent hatten zulegen können. So viel Konkurrenz von rechts hatte die CSU in ihrer Geschichte nur ein einziges Mal – vor 73 Jahren.
Die spannendste Frage zu Beginn des Parteitags ist denn auch, wie Söder darauf reagieren wird. In den Wochen zuvor hatte er sich in seinen Wahlkampfreden über Aiwanger ausgeschwiegen und die AfD eher nebenbei abgefertigt. Immer öfter war aus der CSU die Meinung zu hören, dass ein Wohlfühlwahlkampf („Unser Land in guter Hand“) wohl nicht reichen wird, um nicht noch mehr Federn zu lassen und zumindest das historisch schlechte Wahlergebnis (37,2 Prozent) aus dem Jahr 2018 zu halten.
Der CSU-Chef enttäuscht die Delegierten nicht. 25 Minuten hat er schon geredet, hat die Ampel als „schlechteste Regierung“ beschimpft, die Deutschland je hatte, hat Grüne, SPD und FDP in Bayern „euphorische Ampel-Klatscher“ gescholten und eine „ständige Benachteiligung Bayerns“ durch die Bundesregierung angeprangert. Dann kommt er auf die Freien Wähler zu sprechen. „Jetzt habe ich gelesen, unser Koalitionspartner fordert mehr Macht. Der Koalitionspartner fordert schon von vorneherein das Landwirtschaftsministerium“, sagt Söder, macht eine Sekunde Pause und fährt dann fort: „Ich bin mir nicht ganz sicher, ob dem einen oder anderen die Umfragen etwas zu Kopf gestiegen sind. Da scheint es im Moment nur um Posten, um Ämter zu gehen. Mein dringender Rat: Mehr Demut vor Wahl und Wähler.“
Vorher wurde die Rede des Parteivorsitzenden ordentlich beklatscht, jetzt brandet herzhafter Applaus auf. „Es geht jetzt um die Zukunft der Menschen, nicht um einzelne Politiker und ihre Karrierewünsche“, sagt er und schiebt drei wuchtige Sätze hinterher: „An die Landwirtschaft: keine Sorge! An die Freien Wähler, bei allem Respekt: keine Hoffnung! Die CSU wird das Landwirtschaftsministerium mit Michaela Kaniber behalten.“
"Wir müssen die AfD ernster nehmen", fordert Söder
Söder will die Koalition mit Aiwanger fortsetzen, aber er will keine Zweifel darüber aufkommen lassen, wer in der Staatsregierung das letzte Wort hat. Das zeigt sich auch an kleinen Sticheleien gegen den Wirtschaftsminister Aiwanger. Quasi nebenbei flicht Söder in seiner Rede ein, dass die Wirtschaftskompetenz, die der CSU in Umfragen zugemessen wird, sechsmal höher ist als die der Freien Wähler. Oder er merkt an, dass die großen bayerischen Unternehmen mit ihren Anliegen gleich zu ihm in die Staatskanzlei kommen.
Mucksmäuschenstill wird es in der Halle, als Söder nach gut einer Stunde auf die AfD zu sprechen kommt. „Die AfD ist kein bayerisches Problem, aber ein Problem für Bayern“, sagt er und fordert: „Wir müssen die AfD ernster nehmen.“ Die Partei sei rechtsextrem und wolle an die Macht. Und wenn die bayerische AfD-Spitzenkandidatin ankündige, dass andere vor Gericht gestellt werden, sobald die AfD an der Regierung sei, dann sei das „ein neuer Sound, aber auch ein alter, den wir in Deutschland schon einmal gehört haben“.
Rekordergebnis von 96,6 Prozent bei Söders Wiederwahl zum Parteichef
Allen, die meinen, man könne den etablierten Parteien einen Denkzettel verpassen, wenn man AfD wähle, müssten die Konsequenzen klar gemacht werden. Da gehe es nicht nur um einen „Verlust an demokratischer Stabilität, Anstand und Sittlichkeit“, sagt Söder. Die AfD wolle raus aus der EU. Die Folge wäre ein Verlust an Wohlstand. Die AfD wolle raus aus der Nato. Die Folge wäre ein Verlust an Sicherheit. „Raus aus der Nato jetzt? Das heißt rein von Putin“, warnt Söder. Er nennt die AfD-Politiker die „wahren Kreml-Knechte“ und sagt: „Diesen Leuten legen wir das Handwerk.“
Am Ende des Parteitags ist nicht nur Theo Waigel optimistisch. Der Schlussapplaus und das Rekordergebnis von 96,6 Prozent bei Söders Wiederwahl zum Parteichef zeigen, dass sich die CSU um ihren Chef gesammelt hat. Die altbekannte Geschlossenheit der Partei vor Wahlen ist wieder da. „Jetzt heißt es kämpfen. In Stein gemeißelt ist da noch nix“, sagt der schwäbische CSU-Bezirksvorsitzende, Gesundheitsminister Klaus Holetschek. Der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, betont: „Es gibt keine Leihstimmen an die Freien Wähler.“