Was würde die Klinikreform für den Landkreis Neu-Ulm bedeuten?
Der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft sagt in Neu-Ulm, wie er die Vorschläge aus Berlin findet: inakzeptabel. Was er den Kreisräten empfiehlt.
Wie würde sich eine bundesweite Krankenhausreform auf die medizinische Versorgung im Landkreis Neu-Ulm auswirken? Und was ist überhaupt von den Vorschlägen aus dem von Karl Lauterbach (SPD) geführten Bundesgesundheitsministerium zu halten? Dazu hat am Freitag der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG) eine Einschätzung in Neu-Ulm abgegeben. Mit seinen klaren Worten erzeugte Roland Engehausen zwar eine gewisse Unsicherheit bei den Mitgliedern des Krankenhausausschusses des Kreistags. Andererseits gab er ihnen auch konkrete Empfehlungen.
Zweifellos gebe es einen großen Reformbedarf bei den Krankenhäusern, betonte Engehausen. Mit den Problemen der Finanzierung und dem Fachkräftemangel sei die Situation im Landkreis Neu-Ulm keine Besonderheit. "Die Versorgungslandschaft hier ist nicht schlecht", sagte er und nannte vier zentrale Herausforderungen: den pflegerisch-medizinischen Fortschritt, eine veränderte Arbeitswelt und Demografie, die Digitalisierung und der finanzielle Rahmen.
Der BKG-Geschäftsführer spricht in Neu-Ulm von politischem Versagen
Nach Ansicht des BKG-Geschäftsführers sind die Reformvorschläge aus Berlin nicht akzeptabel. "Wir müssen aufpassen, dass die gute stationäre Versorgung in Bayern nicht gefährdet wird", sagte er. Es würde einen Kahlschlag bedeuten, wenn die vorgelegten Ideen umgesetzt würden. Eine davon laute: Im Umkreis von 30 Minuten dürfe es kein anderes Krankenhaus mit stationärer Versorgung mehr geben. "Ohne diese 30-Minuten-Regel würden wir schon 30 Prozent der Kliniken in Bayern verlieren", sagte Engehausen. "Mit Anwendung der Regel wäre es jedes zweite Haus."
Seiner Ansicht nach wird durch die geplante Reform anders als gedacht nicht mehr Geld zur Verfügung stehen. Momentan gebe es eine "eklatante Unterfinanzierung", gestiegene Energiekosten würden nicht ausgeglichen, die dafür von der Politik vorgesehenen Hilfsfonds deckten die Lücken nicht ab. Obendrein stehen Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst vor der Tür. "Wir werden Abschlüsse haben, die nicht finanzierbar sind", warnte Engehausen. Im Jahr 2020 haben seinen Angaben zufolge 40 Prozent der bayerischen Kliniken ein Defizit erwirtschaftet, 2023 werden es voraussichtlich 90 Prozent sein. "Das ist politisches Versagen", sagte der Geschäftsführer.
Der Fachmann rät dazu, den Fokus auf die Klinik in Weißenhorn zu legen
Die Kommission, die die Reformvorschläge erarbeitet hat, habe die Folgen nicht analysiert, führte Engehausen weiter aus. Er ist überzeugt, dass die Reform so nicht kommen wird, weil sie nicht umsetzbar sei. In zentralen Eckpunkten fasste er aber die Annahmen zusammen, die er für realistisch hält. "Es wird eine Art von Zentralisierungs- und Spezialisierungstrend geben", nannte er ein Beispiel. Auch eine stärkere Vernetzung und Kooperation sei wahrscheinlich. Seine Empfehlung deshalb an das Gremium: "Haben Sie immer ein gutes Verhältnis zur Uniklinik in Ulm." Unter anderem geht er auch von Strukturvorgaben, um Leistungen erbringen zu können, mehr ambulanten Behandlungen und einer steigenden Bedeutung der Notfallversorgung aus.
Was ist jetzt zu tun? Das war die zentrale Frage des Gremiums nach Engehausens Vortrag. Die Donauklinik in Neu-Ulm ist bekanntlich weniger als 30 Minuten von der Uniklinik in Ulm entfernt. Was heißt das nun für sie? Eine dringende Versorgungsnot werde schwer erklärbar sein, sagte der Referent. Aber aus bayerischer Sicht könne es auch nicht sein, dass es in Neu-Ulm keinen stationären Versorger gebe. Dennoch riet er dazu, langfristig den Fokus eher auf die andere Klinik im Landkreis, sprich auf Weißenhorn, zu richten. "Überlegen Sie, welche Leistung Sie wo anbieten wollen", lautete eine seiner abschließenden Empfehlungen. "Schauen Sie, dass Sie vielleicht auf die eine oder andere Struktur, die nicht notwendig ist, verzichten können - aber ohne Kahlschlag."
Ausschuss lehnt Wirtschaftsplan 2023 der Kreisspitalstiftung ab
Bereits vor Corona hat das hohe Defizit der Kliniken der Kreisspitalstiftung den Landkreis finanziell sehr stark belastet. Für 2022 geht Stiftungsdirektor Marc Engelhard von einem Jahresfehlbetrag von 15,3 Millionen Euro aus. Im Wirtschaftsplan für 2023 steht sogar ein Minus von 16,2 Millionen. Das wollte der Krankenhausausschuss nicht hinnehmen und lehnte den Wirtschaftsplan mit 11:3 Stimmen ab. Landrat Thorsten Freudenberger (CSU), der sich zuvor mit den Fraktionsvorsitzenden abgestimmt hatte, schlug ein anderes Vorgehen vor. "Wir sitzen immer wieder zusammen und sagen: Es kann so nicht weitergehen", führte Freudenberger aus. Als Krankenhaus-Träger sei der Landkreis aber vertraglich verpflichtet, das Defizit auszugleichen.
Der Wirtschaftsplan sei sicherlich korrekt, betonte der Landrat, aber um ein Zeichen zu setzen schlug er diesmal einen anderen Weg vor: Die Kreisspitalstiftung wird aufgefordert, einen Wirtschaftsplan vorzulegen, der aufzeigt, wie das Defizit um zehn Prozent reduziert werden kann. Mit der Ergänzung, dass zusätzlich eine Planung vorzulegen ist, welche die Reduzierung des Defizits nachhaltig fortschreibt, sprach sich das Gremium bei fünf Gegenstimmen für diesen Weg aus. Die Vertreterinnen von Grünen und ÖDP waren der Ansicht, dass das nicht zielführend ist und sich das Defizit am Ende des Jahres trotzdem auf rund 16 Millionen Euro belaufen wird.
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