Hass, Hetze, Beleidigung: Wenn Ärzte und Pflegekräfte bedroht werden
Der Suizid einer Ärztin, die Morddrohungen erhalten hat, macht betroffen. Auch in Aichach-Friedberg werden Ärzte, Pflegekräfte und Sprechstundenhilfen oft angegangen.
Anfeindungen, verbale und körperliche Attacken gegen Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte, Medizinische Fachangestellte, aber auch Mitarbeitende in Impfzentren nehmen im Landkreis zu, verschärft durch die Corona-Maßnahmen. Betroffen macht gerade viele Menschen der Suizid einer Ärztin in Österreich, die mit Hass und Morddrohungen verfolgt wurde. Solche extremen Vorfälle sind in Aichach-Friedberg nicht bekannt. Doch berichtet unter anderem der Chefarzt der Notaufnahmen der Kliniken an der Paar, dass das Personal dort immer wieder angegangen werde. So habe erst kürzlich eine Frau nach einer Pflegekraft geschlagen, als diese den vorgeschriebenen Corona-Test durchführte.
Das Polizeipräsidium Schwaben-Nord betont, Fälle, bei denen medizinisches Personal physisch oder psychisch angegangen wurde und die der Polizei bekannt sind, seien in den vergangenen eineinhalb Jahren die absolute Ausnahme gewesen. Ein Sprecher schildert einen: Es wurden Angehörige einer Facharztpraxis im Landkreis, die nur Patienten mit 3G-Nachweis behandeln wollten, schriftlich bedroht. Die Polizei führte bei einer tatverdächtigen 66-Jährigen aus dem Wittelsbacher Land eine Gefährderansprache durch: Sie wurde persönlich durch Beamte darauf hingewiesen, derartiges zu unterlassen. Der zweite Tatverdächtige wohnt nicht in Bayern, die zuständigen Behörden wurden in Kenntnis gesetzt. In beiden Fällen wurden Verfahren wegen Bedrohung und Nötigung eingeleitet.
Besonders akut ist die Situation in den Notaufnahmen der Krankenhäuser Aichach und Friedberg, wie Chefarzt Dr. Martin Müller und Robert Spitzer, Pflegerischer Leiter Notaufnahmen, berichten. Beide haben jahrzehntelange Erfahrung und erlebt, dass die Aggression zunimmt, Corona habe das verstärkt, sie sei jedoch nicht der Auslöser gewesen. Zu unterscheiden sei zwischen Aggressionen von Menschen, die wegen Demenz, geistiger Verwirrung oder unter Alkohol- bzw. Drogeneinfluss handeln - und den anderen. Verbale Gewalt sei aber auch in dieser Gruppe an der Tagesordnung: Beleidigungen, Drohungen, Infragestellung der Fachlichkeit, im Nachgang Schmähungen im Internet, Beschwerden an die Klinik. Zu körperlicher Gewalt komme es ebenfalls mehrmals im Monat.
Die Aggression eskaliere oft sehr schnell und entzünde sich schon an Kleinigkeiten. Da immer mehr Menschen die Notaufnahmen in Anspruch nehmen - und nicht nur bei medizinischen Notfällen - und andererseits das Personal systembedingt weniger Zeit für den Einzelnen hat, verlängern sich die Wartezeiten, oft bis zu mehreren Stunden. Das mache einige Menschen aggressiv.
Krankenhäuser in Aichach und Friedberg: "Es ist persönlich belastend"
Hinzu kamen in den vergangenen Jahren Corona-Leugnerinnen und -Maßnahmengegner, die den Führungskräften zufolge teils sehr schnell aggressiv auftreten. Die vorgeschriebenen Corona-Maßnahmen wie Masken- und Testpflicht, welche in Kliniken weiter gelten, führen regelmäßig zu Streit bis hin zu Attacken gegen diejenigen, die zum Beispiel Tests durchführen. Auch das Besuchsverbot in der Notaufnahme verursache oft Diskussionen. "Es ist persönlich belastend", sagen Müller und Spitzer. Die Kliniken an der Paar bieten Kommunikationstrainings an, auch versuchen sich die Kolleginnen und Kollegen im Team gegenseitig zu schützen, reden über das, was geschehen ist. Einen Sicherheitsdienst wie etwa das Uniklinikum Augsburg haben die vergleichsweise kleinen Häuser nicht. "Doch manchmal wäre es wünschenswert", sagt Müller.
Laut Klipa-Geschäftsführer Dr. Hubert Mayer gibt es eine klare Vorgabe zu dem Thema – eine Zwei-Wege-Strategie: "Erster Weg: Information und Deeskalation, damit lässt sich vieles einfangen. Zweitens: Konsequentes Anzeigen von tätlichen Angriffen jeglicher Art." Auch die Frau, die kürzlich während des Tests nach jemandem geschlagen haben soll (dies aber als "Abwehrbewegung" bezeichnete), wird angezeigt.
In Arztpraxen sind vor allem die Sprechstundenhilfen Beschimpfungen ausgesetzt. Extrem war dies in der Phase des Impfneids, wenn Impfwillige nicht gleich an die Reihe kamen. Einige Ärzte und Ärztinnen stellten das Impfen wieder ein, weil Mitarbeiterinnen immer wieder weinend an der Theke saßen. Nachgelassen hat die Aggressivität nicht, wie Dr. Andreas Ullmann aus Aichach berichtet. "Unsere Arzthelferinnen werden oft beleidigt." Die Mitarbeiterinnen, die die Telefonzentrale betreuen, wechseln alle paar Stunden - länger hält es keine aus. Oft herrscht Unverständnis, wenn es nicht gleich einen Termin gibt. Ullmann, der weiß, dass es vielen Praxen ähnlich geht, sagt: "Die Praxen arbeiten seit Corona alle am Limit. Wir sind geimpft, aber auch wir haben Ausfälle. Irgendwann geht es dann eben einfach nicht mehr." Corona-Leugner schickten dem Aichacher Zentrum für Allgemeinmedizin Mails und Briefe. Der Inhalt waren laut Ullmann vor allem Verschwörungstheorien; Drohungen habe es keine gegeben.
Polizei betont: Fälle von Hass und Hetze anzeigen
Das Polizeipräsidium betont, es sei wichtig, dass Fälle von Hass und Hetze in der analogen und auch in der digitalen Welt konsequent und zeitnah zur Anzeige gebracht werden. Sprecher Markus Trieb: "Die Polizei ist bei Bekanntwerden derartiger Vorkommnisse sehr sensibel und nimmt jeden Fall ernst." Beim Anfangsverdacht einer Straftat werde in jedem Fall ermittelt und das Ergebnis an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet.
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