Das Thüringer Trauerspiel zeigt die Schwäche (fast) aller Parteien
Ist der Spuk in Thüringen mit dem Rücktritt des FDP-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich vorbei? Von wegen.
Thüringen ist das elftgrößte Bundesland Deutschlands, mit einer Fläche von gerade einmal 16.171 Quadratkilometern etwa so groß wie Swasiland. Es weist ein politisches Führungspersonal auf, das Friseurketten betreibt oder als Gewerkschaftssekretär werkelte, es geht dort so bodenständig zu, dass gar ein Ministerpräsident in erster Linie Rostbratwurst verzehrt.
Warum Thüringen trotzdem mit seiner Ministerpräsidentenwahl die Bundespolitik und die Bundesrepublik aus den Angeln gehoben hat? Das hat weniger mit der regionalen Situation zu tun – ob in Erfurt eine Minderheitsregierung regiert oder nicht, ist vielen Bundesbürgern herzlich gleichgültig
Thüringen zeigt leider auch: Nur die AfD weiß, was sie will
Die aktuelle Aufregung ergibt sich vielmehr aus dem Umstand, dass das unwürdige Geschachere im thüringischen Landtag gleich mehrere Stimmungen spiegelt, die die Bundesrepublik prägen.
Wir erleben: Eine AfD, die taktisch klug ihre Macht auszubauen versucht. Im Bundestag tut sie das durch gezielte Provokationen und Anträge. Auch das Vorgehen in Erfurt war offenbar von langer Hand geplant, AfD-Funktionäre resümierten nach der Wahl zufrieden, man habe den FDP-Kandidaten ja in die Falle locken wollen. Also drängt sich der Eindruck auf, dass den Rechten das Vorführen und Verführen der anderen Parteien leicht gelingt.
Im Handschlag von FDP-Mann Thomas Kemmerich mit dem örtlichen AfD-Chef Björn Höcke zeigte sich das: Wenn er schon nominell kein AfD-Ministerpräsident ist, dann doch einer von AfD-Gnaden. Dass dies mit einem Fünf-Prozent-Mann geschah, der danach vom Willen des Volkes schwadronierte, verstärkt diesen bitteren Eindruck – ebenso wie der Umstand, dass FDP-Chef Christian Lindner dieses Schauspiel nicht verhindern konnte.
Wahlbeben in Thüringen: AKK und Lindner haben ihre Parteien nicht im Griff
Das führt zu der anderen großen aktuellen Schwäche, welche die allgemeine politische Verunsicherung so stark werden lässt. Die FDP, einst stolzer Stabilitätsanker vieler Bundesregierungen, ist mittlerweile komplett auf ihren Vorsitzenden zugeschnitten. Aber wofür dieser wirklich steht, wo für ihn Taktik aufhört und Prinzipien anfangen, wirkt völlig offen.
Ebenso schwach präsentierte sich die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK). Sie hat offensichtlich ihren Laden nicht im Griff. Thüringer Christdemokraten war es erst herzlich gleichgültig, dass die Parteispitze jede Kooperation mit der AfD untersagt hatte. Als AKK nach dem Debakel dann rasche Neuwahlen anmahnte, schienen sie davon weiter unbeeindruckt. Deutlicher lässt sich der Autoritätsverlust einer Parteivorsitzenden kaum illustrieren. Auch daher brachte sich Dauerrivale Friedrich Merz wieder ins Spiel mit dem Hinweis, wie sehr der Aufstieg der AfD Angela Merkels Vermächtnis sei (die prompt aus dem fernen Afrika ein Donnerwetter erließ). Das macht Herrn Merz nicht zu einem starken Kandidaten – und Frau Merkel nicht wieder zu einer starken Kanzlerin. Aber beides schwächt AKK weiter, genau wie die unverhohlene Empörung der Schwesterpartei CSU.
Die AfD will die "politische Mitte" erobern
SPD und die Grünen waren sich zwar einig in ihrer lautstarken Ablehnung. Doch wer bei den Sozialdemokraten was vertritt, ist unter dem neuen Partei-Führungsduo noch unklarer: Will man wegen Thüringen die Große Koalition platzen lassen? Auch die Grünen, sonst so siegessicher, müssen nachdenken: Wollen sie mit einer Union koalieren, die das Trauerspiel von Thüringen mit ermöglichte?
So wirken fast alle etablierten Parteien, als wüssten sie nicht, was sie wollen. Die AfD hingegen weiß genau, was sie will – die „bürgerliche Mitte“ erobern. Das ist die gefährliche Botschaft aus Thüringen – und für Deutschland.
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Eigentlich stellt sich bei allem Lamentieren zuerst mal die Grundfrage: ist eine Wahl, egal welche und auf welcher Ebene, rechtens - ja oder nein. Jenachdem wie die Antwort ausfällt sind auch die daraus resultierenden Folgen eindeutig klar. Im übrigen wundere ich mich immer wieder wie viele wissen wer wen oder was bei einer geheimen Wahl gewählt hat.
Noch eine Anmerkung zum taktischen Wählen weil dieser Begriff immer wieder zu Hören und zu Lesen war: taktisches Wählen gab es schon immer. Ich erinnere nur an die Zweitstimmen-Kampagnen diverser Parteien.
Durch dieses "Erdbeben" ist mir bewusst geworden, dass sich der gemeine Bürger mal wieder mit dem Wahlrecht beschäftigen sollte. Es ist unglaublich, dass der Wählerwille dermaßen missachtet wird, dass eine Partei mit fünf Prozentpunkten den Ministerpräsidenten stellen kann. Da muss man sich doch nicht wundern, dass die Wahlbeteiligung immer weiter sonkt.
Dann sind ab sofort parteilose Menschen für Ämter tabu?
Wäre es nicht mal an der Zeit für die Augsburger Allgemeine offensichtliche Tatsachen zu sehen, anstatt nur rum zu eiern. Fakt ist letztlich, dass ganz allgemein der Trend innerhalb der Union (und ja die CSU gehört dazu, auch wenn Söder sich wie immer im Kreis dreht) weiter nach Rechts rutscht. Dass Bodo Ramelow der beliebteste Politiker in Thüringen ist, wie aktuelle Umfragen bestätigen wird ignoriert, dafür die angebliche Mitte nach rechts geschoben. Nicht der Bürger will weiter nach rechts, sondern machtgeile Politiker, die auf der rechten Seite die besseren Chancen sehen.
Ich denke es handelt sich um ein Grundproblem. Eine Partei, die nicht verboten ist und die in Parlamente gewählt wird, darf man nicht ausgrenzen indem man versucht, sie zu ignorieren. Stattdessen muss man sich im Rahmen der politisch möglichen Grenzen mit ihr auseinandersetzen, die besseren Argumente haben, den Gegner bloßstellen. Dann reagiert auch der Wähler. So wie es jetzt läuft, reagiert ein großer Teil der Wähler nur in eine Richtung: nach rechts.
Sehe das auch so dass das eine demokratische Wahl (des Ministerpräsidenten) war. Demokratisch gewählte Volksvertreter haben gewählt. Warum sollte die CDU/CSU (Mitte-Rechts) die AfD (ebenfalls Mitte-Rechts) ausgrenzen? Der SPD und die Grünen haben ja auch kein Problem damit sich mit der Linken (oder besser gesagt der ehemaligen SED!) zusammen zu tun. Da hieß es früher auch mal das dies unvorstellbar sei...
Ich rate den Politikern sich mal mit den Realitäten auseinander zu setzen und die demokratisch gewählte AfD nicht einfach zu ignorieren/auszuschließen...
Die Linken als SED Nachfolgerpartei haben sich neu ausgerichtet.
Solange solche Hetzer und Faschisten wie Herr Höcke das sagen haben, kann man mit der AfD nicht zusammenarbeiten. Das was der Parteiführer macht ist halt nicht schlimm genug, dass die Partei verboten werden kann. Das ist eben der Rechtsstaat den wir ja haben wollen.
Wenn die AfD die Hetzer nicht mehr als Vorsitzende wählt oder sogar aus der Partei ausschließt, dann ist die AfD eine neue Partei die sicher auch gute neue Aspekte in die Politik einbringen kann.
>> AfD-Funktionäre resümierten nach der Wahl zufrieden, man habe den FDP-Kandidaten ja in die Falle locken wollen. <<
Und das glauben wir dann einfach mal so ohne weiteren Nachweis?
Man muss doch nur mal die Zeitungsartikel von vor der Wahl lesen. Überall große Siegesgewissheit, dass Herr Ramelow gewählt wird, nirgendwo die Abhandlung über ein evtl. Stimmverhalten der Afd.
Der Journalismus ist in diese Affäre mindestens genau so naiv reingelaufen, wie er es selbst der FDP vorwirft.
Siehe Artikel in der NZZ. Das ist keine Schwäche, das ist Demokratie. Vielleicht sollte man sie AfD mal mitregieren lassen statt auszugrenzen. Evtl. Entzaubern sie dann ihren Mythos selbst. Und warum sollte eine linke Regierung besser sein als eine rechte? Man hat ja gesehen wie die linken Chaoten in Hamburg beim G20 regiert haben und wie sie das Haus vom 24 Stunden Ministerpräsident beschmiert haben.
Wider die Gleichsetzung von AFD und Linke
Nachdem die AFD es in Thüringen mit einem legalen aber undemokratischen Trick (sie stellten einen eigenen Kandidaten auf, den dann niemand wählte) geschafft hat, dass ein Ministerpräsident von ihren Gnaden gewählt wurde, tönen AFDler und auch Nazinahe, dass doch die Parteien AFD und LINKE beide extremistische Parteien seien.
Doch AFD und Linke sind nicht gleich!
In der AFD haben sich erst die Euro- und Europagegner organisiert. Mittlerweile wird die Partei von dem Nazinahen B. Höcke dominiert. Dieser vertritt antisemitische und rassistische Ansichten, und bewertet beispielsweise verklausuliert Hitler als normalen Politiker. Zitat: „Das große Problem ist, dass Hitler als absolut böse dargestellt wird. Aber wir alle wissen natürlich, dass es in der Geschichte kein Schwarz und kein Weiß gibt.“
Die Partei DIE LINKE hat in den 1990er Jahren viele SED-Verbrecher in ihren Reihen gehabt. Von diesen ist heute nichts mehr zu hören. Bodo Ramelow ist als Gewerkschaftsfunktionär in den 1990er zur PDS gekommen und setzte sich für die Bildung der neuen Partei DIE LINKE ein. Vermutlich hält er sich bei Themen wie DDR Unrechtsstaat und Schießbefehl opportunistisch zurück. Als Ministerpräsident von Thüringen genießt er jedoch hohes Ansehen. 71 % der in Thüringen repräsentativ befragten, sagen, dass er ein guter Ministerpräsident sei (statista 6.2.20).
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Ramelow ist ein Demokrat. Seine Partei DIE LINKE fällt seit vielen Jahren nicht mehr durch antidemokratische oder menschenverachtende Aussagen von Führungskräften auf. Einzelne Parteimitglieder sehen den autoritären und menschenrechtsverletzenden Herrscher Putin positiv. Haben meiner Erinnerung nach sogar Verständnis für den syrischen Menschenschlächter Assad geäußert.
Doch das ist fast nichts verglichen mit den Reisen von AFD-Abgeordneten nach Russland und Syrien, wo sie kritiklos mit den dortigen Herrschern politisch konferiert haben.
Mit der Elle der Demokratie gemessen, sind AFD und Linke wahrlich nicht gleich zu bewerten.
Hinzukommt, DIE LINKE streitet für mehr soziale Gerechtigkeit. Die AFD hingegen will es den Reichen geben und lassen und auch noch die Erbschaftssteuer abschaffen.
Raimund Kamm
Sollte es zu einer Neuwahl kommen, dann: ist die FDP raus, CDU und SPD verlieren, die Grünen wackeln, die Linken und Rechten gewinnen! Ist aber nur ein Blick in die Glaskugel. Und wer wird dann MP?
Mich würde ja interessieren, was ein Bodo Ramelow gemacht hätte, wenn die AFD geschlossen ihn gewählt hätte.... ich nehme die Wahl nicht an..... oder es ist eine geheime Wahl und man kann nicht nachvollziehen woher die Stimmen kommen..... Es ist und bleibt eine Krux...mögen man hoffe, dass die Wähler aufgerüttelt sind und mal alle zur Wahl gehen
"Trauerspiel" ist das überhaupt nicht. Das ist hochtaktisches politisches Ränkespiel. Und Ramelow, der davon geträumt hat, mit seiner LRG-Minderheitsregierung seine "Projekte" weiterzuverfolgen, steht erstmal am Spielfeldrand. Ein Bürgerlicher ist 5%-FDP-Ministerpräsident, demokratischund taktisch mitgewählt durch die AfD, die einen linken Ministerpräsidenten als das größere Übel ansahen. Geplatzte Regierungsseifenblasenträume verursachen Emotionen und Blumenstraußwürfe. Und was kommt jetzt? Auflösung des Landtags mit 2/3-Mehrheit mit Neuwahlen inkl. russischem Roulette der 5%-Parteien FDP und Grüne oder bürgerliche "Projektregierung" unter Leitung eines 5%-FDP-Ministerpräsidenten oder - was sich die LRG-Möchtegernregierung wünscht - Vertrauensfrage von Kemmerich und damit alles zurück auf den Stand von gestern Vormittag gewürzt mit den Eindrücken was in der Zwischenzeit passiert ist? Thüringen bleibt spannend!
Es war eine demokratische Wahl. Die bisher regierenden Parteien haben nicht verstanden. Siehe die letzte Bundestagswahl. Nach der Wahl hat man eine Regierung gebildet die das Volk so nicht gewählt hat. Unseren Politikern geht es schon lange nicht mehr im das Volk.
Unsere derzeit regierenden Politiker haben nur Interesse an Macht und dem eigenem Geldbeutel !
Was heist " Schwäche "
Es geht nur noch um Macht !!