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Interview
15.01.2024

Jürgen Trittin verabschiedet sich: "Ich wollte diese Gesellschaft verändern"

Jürgen Trittin sagt der Spitzenpolitik "servus". Als seinen größten Erfolg wertet er Deutschlands Ausstieg aus der Kernenergie, den er als Umweltminister einst auf den Weg brachte. Zum Abschied warnt der 69-Jährige vor einem Ende der Demokratie.
Foto: Annette Riedl, dpa

Nach 25 Jahren im Bundestag macht Jürgen Trittin Schluss. Im Interview blickt der Grünen-Veteran zurück auf seine Karriere mit Atomausstieg und Dosenpfand. Für seine Partei hält er eine Lehre bereit.

Herr Trittin, Sie hören nach 25 Jahren im Bundestag auf. Dabei sind Sie jemand, der Politikmachen atmet. Wie schließt man ab nach so langer Zeit?

Jürgen Trittin: Dass ich mit der Politik aufhöre, habe ich ja nicht gesagt. Aber ich höre damit auf, als Abgeordneter Tagespolitik zu gestalten. Ich denke, dass 25 Jahre – und bei mir noch zwei Jahre länger als Münteferings Rente mit 67 – eigentlich eine ganz gute Zeit sind. Wenn ich meine Arbeit als Landtagsabgeordneter noch dazunehme, komme ich auf fast 40 Jahre Berufspolitik.

Was war der Auslöser? Sie hätten die Legislaturperiode noch komplett machen können.

Trittin: Ich habe meinem Kreisverband schon bei der letzten Kandidatenaufstellung gesagt, dass ich danach nicht noch einmal kandidieren möchte. Insofern war da niemand überrascht. Mein 25-jähriges Jubiläum war am 27. September, und da habe ich mir gedacht, dass ich lieber mit 25 als mit 27 Jahren aufhören will und Platz für meinen Nachrücker Ottmar von Holtz mache.

Im Jahr 2005 als Bundesuweltminister zu Besuch bei der Brauerei Riegele in Augsburg. Das Dosenpfand hatte Unterstützer bei den kleinen Brauereien, die auf Pfandflaschen setzten.
Foto: Silvio Wyszengrad

Die Ampelkoalition steht in der Gunst der Wähler schlecht da. Sie könnte einen bekannten und erfahrenen Politiker wie Sie gut gebrauchen. Warum haben Sie dennoch entschieden, die Wahlperiode nicht vollzumachen bis 2025?

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Trittin: Man muss aufpassen, dass man sich selbst nicht für unentbehrlich hält. Die Grünen-Bundestagsfraktion besteht aus 118 Mitgliedern, davon sind 70 bei der letzten Wahl neu dazugekommen. Ein beachtlicher Teil derer, die parlamentarische Vorerfahrung hatten, sind in Ministerien gewechselt. Insofern war es zu Beginn schon wichtig, Menschen mit Erfahrung dabeizuhaben, wie Renate Künast oder mich. Nach zwei Jahren aber ist diese Fraktion jetzt sehr gut aufgestellt. Ich bin beeindruckt, wie regierungsfähig diese so junge und aus vielen Neuen bestehende Fraktion ist. Unseren Koalitionspartnern ist das Einfinden in die Regierungsrolle noch nicht ganz so gelungen.

Früher galten die Grünen im Bundestag als strickende Spontis. Das Bild hat sich offensichtlich gewandelt?

Trittin: Ich bin ja selbst ein Musterbeispiel dafür. Ich kam als Nachrücker in den niedersächsischen Landtag, wir hatten damals unser Zweijahres-Rotationsprinzip, das schwer umstritten war. Wir mussten erst vor Gericht ziehen, um das Recht durchzusetzen. Ich reiste als Pressesprecher der Landtagsfraktion nach Bückeburg und kam als Abgeordneter wieder zurück. So kam ich in die Berufspolitik. In der Zwischenzeit hat sich etwas verändert, das ist auch so anerkannt. Politik wird bei uns als Beruf verstanden, das war in der Tat nicht immer so.

Spitzenpolitik ist ein harter Job. Man steht in der Öffentlichkeit, die Presse kritisiert und weiß es immer besser, der politische Gegner attackiert, und manchmal sitzen die ärgsten Widersacher in der eigenen Partei. Was hat Sie angetrieben, sich dem auszusetzen?

Trittin: Ich wollte diese Gesellschaft verändern, ich wollte sie gerechter haben und nachhaltiger gestalten. Das ist mir, glaube ich, ganz gut gelungen. Die wichtigste Lehre ist für mich: Man ist immer sehr ungeduldig, was bestimmte Veränderungen angeht, aber die Wahrheit zeigt sich immer auf der Strecke. Im Guten wie im Schlechten.

Sein größer Moment: Umweltminister Jürgen Trittin und der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) unterzeichen am 11. Juni 2001 mit den Chefs der Energiekonzerne den Ausstieg aus der Atomkraft.
Foto: Michael kappeler, ddp

Was lief gut?

Trittin: Wir beziehen unseren Strom heute zu fast 60 Prozent aus erneuerbaren Energien. Das liegt am Erneuerbaren-Energien-Gesetz und damit an einer Entscheidung, die wir 2001 getroffen haben mit dem Ausstieg aus der Atomenergie. Ein anderes Beispiel: Wenn wahrscheinlich vor 2030 das letzte Kohlekraftwerk vom Netz geht, dann hat das damit zu tun, dass wir Grünen in der Regierung 2002/2003 eine EU-Richtlinie zum Emissionshandel durch- und umgesetzt haben, die den Betrieb der großen Verschmutzer unrentabel macht.

Was lief schlecht?

Trittin: Ich bin ja oft für das EEG kritisiert worden, war aber ab 2005 nicht mehr dafür verantwortlich. Mein Nachfolger Sigmar Gabriel von der SPD hat das bis 2009 noch ganz ordentlich gemacht. Aber danach gab es einen CDU-Umweltminister Peter Altmaier und einen FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler, und die haben der Fotovoltaik den Kampf angesagt. Das Ergebnis ist, dass wir zwar einen Rekord an Solarstromanlagen haben, aber die kommen nicht mehr aus Sachsen-Anhalt oder Sachsen, sondern aus China. Hier hat eine schwarz-gelbe Regierung durch eine katastrophale Fehlentscheidung aktiv Deindustrialisierung in Deutschland betrieben.

Na ja, Sie haben 2004 versprochen, die Energiewende werde den Durchschnittshaushalt umgerechnet nicht mehr als eine Kugel Eis im Monat kosten. Damals kostete eine Kugel 50 Cent. Daraus ist offenbar nichts geworden?

Trittin: Für die Gesetze in meiner Verantwortung galt das natürlich. Damals war das so, auch bei meinem Nachfolger Sigmar Gabriel noch. Auch wenn es sich da zugegeben eher schon um Hauptstadtpreise für eine Eiskugel handelte. Aber es war noch eine Kugel Eis. Erst unter Altmaier und Rösler sind die Kosten für die Erneuerbaren vorsätzlich in die Höhe getrieben worden, um deren Ruf und Akzeptanz zu schädigen. Aber für Handlungen meiner Nachfolger, die mir bekanntermaßen nicht freundlich gesinnt waren, übernehme ich nicht die Verantwortung.

Was ist Ihnen persönlich wichtiger – die Einführung des Dosenpfandes oder der Beschluss des Atomausstiegs?

Trittin: Der Atomausstieg. Er war nicht nur ein Ausstieg, sondern gleichzeitig der Einstieg in die Erneuerbaren und die Dekarbonisierung. Das war auch ein Signal an die Welt.

Sie sind ja sogar als DJ Dosenpfand aufgetreten …

Trittin: Das Dosenpfand hat politisch eine ganz andere Bedeutung. Es hat unzähligen kleinen Betrieben und vielen Mittelständlern gerade in der Fläche das ökonomische Überleben gesichert. Nur: Ich habe es nicht erfunden. Die Idee geht auf Klaus Töpfer zurück. Er hat es auf den Weg gebracht, ich habe es durchgesetzt. Das Dosenpfand ist weniger eine umweltpolitische Großtat, obwohl es natürlich einen Umweltaspekt gibt, sondern ein Beweis dafür, dass sich Politik gegen massive Lobbyinteressen durchsetzen kann und nicht erpressbar ist. Insofern war das ein Erfolg.

Baden gegangen vor der Bundestagswahl 2013: Spitzenkandidat Jürgen Trittin wollte bei einer Kanufahrt auf der Werra eigentlich für saubere Flüsse werben, doch das Boot kenterte. Die Panne war ein Omen für den Wahlausgang.
Foto: Swen Pförtner, dpa

Wer so lange Politik macht wie Sie, der muss auch herbe Niederlagen einstecken. 2013 haben die Grünen mit Ihnen und Katrin Göring-Eckardt als Spitzenkandidaten ein schwaches Wahlergebnis eingefahren, obwohl die Atomangst nach dem Gau in Fukushima groß war. Lag es daran, dass Sie einen vegetarischen Tag in Kantinen einführen wollten?

Trittin: 2009 hatte ich gemeinsam mit Renate Künast noch das für lange Zeit beste Wahlergebnis geholt, das erst von Robert Habeck und Annalena Baerbock übertroffen wurde. Renate und ich waren Stimmenkönige, also besser gesagt Queen und King. Aber ja, 2013 haben wir eine bittere Niederlage erlitten. Das hatte damit zu tun, dass wir die Veränderungsbereitschaft unserer eigenen Klientel überschätzt hatten. Wir wollten das Ehegattensplitting abschmelzen, was auch bei Grünen-Wählern schlecht ankam. Für die Niederlage habe ich die Verantwortung übernommen und bin nicht wieder für den Posten des Fraktionschefs angetreten.

Seinerzeit war im Wahlkampf nicht nur die Abschmelzung des Ehegattensplittings ein Aufreger, sondern auch die Einführung eines Veggie-Tags in Kantinen und Mensen. Zehn Jahre danach hängt den Grünen wieder das Image der Verbotspartei an, die mit erhobenem Zeigefinger vorgibt, welche Heizung im Keller zu stehen hat. Hat die Partei nichts gelernt aus den Fehlern der Vergangenheit?

Trittin: Beide Beispiele zeigen, dass man mit Lügen weit kommt. Ich sage das bewusst, weil es in der Fraktion damals drei Leute gegeben hat, die gegen den Veggie-Day gestimmt haben. Ich war einer davon. Mein Grund war ein einfacher: Es ging darum, dass es an einem Tag der Woche in den Kantinen in Kitas, Schulen und Mensen nur vegetarische Gerichte angeboten werden sollten. Das ist ein Angebot, kein Verbot. Dennoch war ich dagegen. Man hat versucht, durch beispielhaftes Vorleben eine gesellschaftliche Veränderung auf den Weg zu bringen.

Das funktioniert nicht?

Trittin: Man hat dann eben schnell eine Verbotsdebatte am Hals. Wenn sie die schlechten Folgen der industriellen Fleischproduktion, also etwa die Abholzung von Regenwäldern für Sojafutter oder die Belastung des Grundwassers in Deutschland durch Nitrate, beseitigen wollen, muss man über andere Instrumente reden. Das könnte zum Beispiel eine CO2-Abgabe für importierte Futtermittel sein, wie das jetzt auch auf EU-Ebene mit CBAM (Anmerkung: europäischer CO2-Grenzausgleich) auf den Weg gebracht wurde. Oder ein Verbot von wichtigen Reserve-Antibiotika in der Tiermast, weil die Erreger sonst Resistenzen bilden und die Mittel nicht mehr beim Menschen wirken. Das ist ein Angriff auf die Gesundheit. Wenn sie all das machen, dann wird weniger Fleisch produziert. Sie gehen an die Wurzel des Problems und leben keine andere Gesellschaft vor.

Der Schnauzbart war jahrelang das Markenzeichen von Jürgen Trittin.
Foto: Fred Schöllhorn

Und beim umstrittenen Heizungsgesetz?

Trittin: Stand nicht einmal im durchgestochenen ersten Entwurf, welche Heizung in den Keller muss. Sondern darin stand, dass sie künftig zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden muss. Das Thema ist dann zur Kampagne gegen die Grünen gemacht worden. Die Kabarettistin Monika Gruber hat sich bei einer Demo darüber aufgeregt und hat gleichzeitig ihr Haus im Wert von sechs Millionen Euro zum Verkauf angeboten. Also wenn das eine soziale Frage sein soll, dann lachen die Hühner.

Ihre ersten politischen Erfahrungen haben Sie im Kommunistischen Bund an der Uni in Göttingen gemacht. Gerhard Schröder hat mal sinngemäß gesagt, er konnte damit wenig anfangen, weil da immer über viel Quatsch ellenlang theoretisiert wurde. Stimmen Sie ihm heute in der Rückschau zu?

Trittin: Es stimmt gar nicht, dass wir da so viel gequatscht haben. Wir haben relativ hautnahe Politik gemacht. Der KB war anders als andere K-Gruppen integrierter Bestandteil der Anti-Atomkraftbewegung. Wir waren sehr praktisch im Einsatz für mehr Frauenrechte. Wir haben uns in Göttingen starkgemacht gegen die Überreaktion des Staates auf die terroristische Herausforderung der RAF, wenn Menschen, die nur etwas in einer Bahn-Unterführung gesprüht hatten, als Unterstützer einer terroristischen Vereinigung eingestuft wurden. Das war höchst praktische Politik und wenig theoretisch.

Sie haben auch Häuser besetzt …

Trittin. Ja. Das ist ein illegaler Akt, aber damit haben wir etwas gegen die Wohnungsnot der Studierenden getan und viel wertvolle Altbausubstanz in Göttingen bewahrt, die sonst für seelenlose Betonarchitektur plattgemacht worden wäre. Das war also ein Akt des Wertkonservatismus. Und das ist der Bogen zu Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg, dem ja häufig vorgeworfen wird, kein richtiger Grüner zu sein. Doch genau das ist er.

Winfried Kretschmann geht heute zu seiner Zeit in den K-Gruppen stärker auf Distanz als Sie …

Trittin: Er war auch in einer anderen Gruppe. Bei deren Vorgeschichte würde ich das auch anders sehen.

Sind Sie damals zu den Kommunisten gegangen, weil Ihr Vater bei der SS war?

Trittin: Nein, das hatte mit meinem Vater nichts zu tun. Das waren einfach diejenigen, die sich am meisten für die Ziele eingesetzt haben, die mir wichtig waren. Was ich von meinem Vater mitgenommen habe, war die Botschaft von ihm aus Bergen-Belsen, bitte sorgt dafür, dass sich das nicht wiederholt. Das war für ein Mitglied der Waffen-SS eine anständige, aber in seiner Generation nicht häufig anzutreffende Haltung.

Jürgen Trittin im Dezember vergangenen Jahres bei seiner letzten Rede im Bundestag. Er beschwor den demokratischen Grundkonsens von CDU bis Linkspartei und forderte, "keine Macht für Antidemokraten".
Foto: Kay Nietfeld, dpa

Hatten Sie mit Ihrem Vater keine großen Auseinandersetzungen über die Geschichte und den Nationalsozialismus?

Trittin: Natürlich gab es auch Streitereien, besonders zu der Zeit, wo ich Sprecher der Schüler unserer Schule war und er Elternvertreter. Da hat es unterschiedliche Interesse gegeben, die haben wir aber miteinander ausgetragen. Das Schöne am Verhältnis zwischen meinem Vater und mir war, dass wir uns auf „agree to disagree“ einigen konnten, also darüber übereinzustimmen, dass wir nicht übereinstimmen.

In ihrer Abschiedsrede im Bundestag haben Sie die Demokraten dazu aufgerufen, zusammenzuarbeiten, um dem Aufstieg der AfD zu begegnen. Sie waren in Ihrer Karriere nicht gerade zimperlich in der Rhetorik. Wie kommt man dennoch zusammen im Spiel zwischen Regierung und Opposition?

Trittin: Ich kenne beide Seiten – sowohl die der Opposition als auch die der Regierung. Wir sind in Deutschland in großen Fragen zu einem Konsens fähig. Eine gesamtgesellschaftliche Kommission unter Beteiligung der Industrie und der Energiewirtschaft hat seinerzeit gesagt, dass wir uns von dieser gefährlichen Atomtechnologie verabschieden. Die Union hat mit der jetzigen Ampelkoalition nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine für die Einrichtung des Sondervermögens gestimmt, um die Bundeswehr wieder zur Bündnis- und Landesverteidigung aufzustellen. Das gelingt in diesem Land. In meiner Rede ging es aber noch um einen anderen Aspekt.

Sie meinen die Brandmauer?

Trittin: Ich meine den demokratischen Konsens von der CDU bis zur Linkspartei, das zu verhindern, was in Skandinavien passiert ist. Dort sitzen die rechten Schwedendemokraten und Wahren Finnen in der Regierung. Wir haben in Deutschland diese Erfahrung schon einmal gemacht, und sie endete im Ende der Demokratie. Und das ist Lehre aus der Geschichte. Man darf Antidemokraten keine Macht übertragen. Sie erleben das gerade in Argentinien, wo der sogenannte Anarchokapitalist Milei den Notstand bis zum Ende seiner Amtszeit ausrufen will.

Sie werden jetzt wahrscheinlich erst einmal ein wenig ausspannen wollen. Verreisen Sie?

Trittin: Ich fahre weg und ich habe das Privileg, darüber, wohin ich fahre, keinem mehr Auskunft geben zu müssen.

Werden Sie sich danach irgendwo politisch engagieren?

Trittin: Ich werde kein unpolitischer Mensch werden. Aber wie ich dieses Politischsein auslebe, dafür muss ich zuvor erst mal wissen, wie es sich anfühlt, keine Abfolge von Sitzungen mehr zu haben. Das ist nämlich nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig gewesen.

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15.01.2024

Im Gegensatz zu dem Herrn Joschka Fischer war mir der Herr Trittin mit seinen Ideen und Auftritten nie wirklich sympathisch und hat mich auch inhaltlich selten überzeugt. Gut, dass er jetzt seinen Ruhestand genießen will. Es sei ihm gegönnt.