
Fußball mit Zuschauern: Das sagt ein Virologe zu den Konzepten


DFB-Präsident Fritz Keller will Zuschauer auf Basis von Massentests wieder ins Stadion lassen, Horst Seehofer setzt auf das Hygienekonzept der DFL.
Eine der größten Hoffnungen von Fußball-Fans in diesen Tagen: ein Besuch im Stadion. Samt Anfahrt in der Straßenbahn, Bratwurst zur Halbzeitpause und Dicht-an-dicht-Stehen in der Fankurve. Es ist eine Normalität, die in Zeiten der Corona-Pandemie unmöglich erscheint. Doch zumindest die Option, einige Fans ins Stadion zu lassen, ist das erklärte Ziel der Deutschen Fußball Liga. Anhand eines Hygiene-Leitfadens sollen die Bundesliga-Klubs nun ein Sicherheitskonzept erstellen und vom Gesundheitsamt abnehmen lassen. Der für den Sport zuständige Bundesinnenminister Horst Seehofer spricht nun davon, dass "im Herbst" wieder Spiele mit Zuschauern stattfinden könnten.
Im Interview mit dem Münchner Merkur sagte der CSU-Politiker: "Ich bin schon länger der Meinung, dass man in die Stadien wieder Zuschauer lassen kann – wenn es ein starkes Hygienekonzept gibt." Den nun vorgelegten Leitfaden halte er für stimmig: "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass auf die DFL und den DFB Verlass ist." Eine ausverkaufte Arena bleibe zwar ein Wunschdenken, jedoch könne man die Kapazitäten schrittweise erhöhen. Es sind Aussagen, die man bei der DFL gerne hören wird – auch wenn der Verband auf Nachfrage zu keiner Stellungnahme bereit war.

DFB-Präsident Fritz Keller will Corona-Massentests einsetzen
Noch forscher trat zuletzt DFB-Präsident Fritz Keller auf: Für die Länderspiele der Deutschen Nationalmannschaft Anfang September in Stuttgart will der 63-Jährige Corona-Massentests einsetzen, um Zuschauer ins Stadion zu lassen. "Es muss einen Weg geben, über Tests wieder eine gewisse Normalität zu erlangen", sagte er der Badischen Zeitung. Der Verband arbeite mit Experten und Wissenschaftlern aus vielen Bereichen an einem System, das Stadionbesuche wieder ermöglichen soll. Dabei will Keller auf die Infrastruktur des DFB zurückgreifen: "Wenn von 7,1 Millionen Mitgliedern im Idealfall jedes fünf bis zehn Menschen aus seinem Verein zum Testen bewegt, kann man sich ausrechnen, wie viel wir erreichen könnten."
Keller glaubt, dass vom Fußball eine Signalwirkung für andere Gesellschaftsbereiche ausgehe: Das Hygienekonzept für die Wiederaufnahme des Spielbetriebs im Profifußball habe Kindergärten, Unternehmen und anderen Sportarten als Blaupause gedient. "Das wollen wir nun bei der Rückkehr von Fans wiederholen, denn Kulturbetriebe sind noch stärker von Publikum abhängig als der Fußball." Corona-Massentests als Voraussetzung für einen Stadionbesuch – es ist ein ähnlicher Ansatz, wie ihn zuletzt Union Berlin vertreten hat. Der Bundesligist wollte alle 22.000 Stadionbesucher im Vorfeld auf eigene Rechnung testen lassen – ein Vorhaben, das kritisch aufgenommen wurde.
Auch an der TU München sieht man den Einsatz von Corona-Massentests als schwierig an. Dieter Hoffmann ist stellvertretender Leiter des Instituts für Virologie. Der Wissenschaftler betrachtet es aus rein virologischer Sicht als möglich, dass Fußballspiele mit getesteten Zuschauern stattfinden können: "Wenn die Tests verlässlich gemacht werden und es gesichert ist, dass die Abstriche im Mund- und Nasenbereich alle gleich gründlich erfolgen, hat man eine große Sicherheit, dass diese Personen nicht infektiös sind." Der dahintersteckende Aufwand sei aber enorm: "Die Tests müssten äußerst zeitnah vor dem Spiel erfolgen, im Idealfall nur wenige Stunden." Das Problem ist die Inkubationszeit: "Wenn die Tests länger zurückliegen, könnten Personen, die im Test noch negativ waren, zum Zeitpunkt des Spiels bereits infektiös sein."
Ein Stadion voller Corona-Gestesteter? Für den Virologen nicht vorstellbar
Hoffmann schätzt, dass auf dieser Grundlage wohl nur "einige tausend Menschen" getestet werden könnten – keinesfalls aber die Massen, die es für das Füllen eines Fußballstadions bräuchte: "Dass man auf dieser Grundlage 20.000 Menschen in ein Stadion lässt, kann ich mir nicht vorstellen." Realistisch damit planen könne man alleine deswegen nicht, weil es immer möglich sei, dass die allgemeinen Testkapazitäten knapp werden – in diesem Fall müsste der Fußball zurückstecken. Realistischer schätzt Hoffmann den DFL-Vorstoß ein, der auf Hygieneregeln wie Abstand und Atemmasken fußt: "Wenn die Abstände eingehalten werden, kann man so etwas mit großem Aufwand schon machen."
Auf europäischer Ebene ist die Sachlage klar: "Bis auf Weiteres werden keine Zuschauer zugelassen. Wir werden keine Risiken eingehen", sagte Uefa-Präsident Aleksander Ceferin. Die verbleibenden Spiele in der Champions League und der Europa League werden im August ausgetragen. Bei den Finalturnieren in Lissabon und Nordrhein-Westfalen wird vor leeren Rängen gespielt.
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Die Diskussion ist geschlossen.
Eine Öffnung der Fußballstadien ist in der gegenwärtigen Situation (zweite Welle) ein verheerendes Signal an die Öffentlichkeit!
So wie es jetzt ist (Maskenpflicht etc.) ist es mehr als ausreichend! Das Virus ist immer noch nicht verschwunden. Und die Wirtschaft überlebt einen 2ten Lockdown nicht. Zurückhaltung bei Lockerungen ist das Gebot der Stunde!
Die Anzahl der Menschen im Stadion hin oder her. Aber wie sollen denn die Hygienevorschriften bei der Anreise zum Stadion gewährleistet werden? Insbesondere in öffentlichen Verkehrsmitteln?