
Wieder Abschiebungen nach Afghanistan - Proteste in München


Erneut bringt ein Flieger abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan, diesmal von München aus. Das Land gilt vielen als unsicher, der Protest ist groß - auch am Flughafen.
Deutschland ist ein geteiltes Land, wenn es um Abschiebungen nach Afghanistan geht. Während am Mittwoch auf dem Flughafen München letzte Vorbereitungen für die Sammelabschiebung von 50 abgelehnten Asylbewerbern nach Kabul liefen, lehnen vier rot-grün regierte Länder Abschiebungen derzeit ab. In Schleswig-Holstein gilt ein genereller Abschiebestopp. Bremen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen wollen die Abschiebungen für das Bürgerkriegsland weitgehend aussetzen. Auch Thüringen, dort ist eine rot-rot-grüne Koalition am Ruder, will so verfahren.
Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte im Oktober ein Rückführungsabkommen mit Afghanistan unterzeichnet, das Sammelabschiebungen ermöglicht. An dieser Linie will Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) festhalten: „Die Einschätzung des Bundesinnenministeriums und des Auswärtigen Amtes, die die aktuellen Erkenntnisse der in Afghanistan eingesetzten Einsatzkräfte auswerten, lassen Rückführungen in gesicherte Provinzen zu.“ Eine Bewertung, die von der Opposition im Bundestag, aber auch von Organisationen, die in der Flüchtlingshilfe engagiert sind, kritisiert wird.
Flüchtlingsrat ruft zu Protesten gegen Abschiebungen auf
Nach einem Aufruf des Bayerischen Flüchtlingsrats protestierten am Mittwochabend mehrere hundert Menschen gegen die dritte von Bayern organisierte Sammelabschiebung seit Dezember. Afghanistan sei für abgeschobene Geflüchtete nirgendwo sicher, erklärte der Flüchtlingsrat. An der Protestaktion beteiligten sich rund 300 Demonstranten, wie ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Ein Sprecher der Flughafenpolizei nannte die selbe Zahl. Zwischenfälle habe es nicht gegeben.
Auch aus den Kirchen kommt Kritik: Der Münchner Kardinal Reinhard Marx nannte die Abschiebungen „außerordentlich fragwürdig“. Das sieht auch der evangelische Bischof Heinrich Bedford-Strohm so. Afghanistan müsse erst so befriedet werden, dass Menschen dort wieder sicher leben können.
Laut jüngsten Berichten der UN ist 2016 die Zahl der „bewaffneten Auseinandersetzungen“ im Vergleich zu 2015 um 22 Prozent angestiegen (bis Oktober). Der Inspekteur des US-Senats für den Wiederaufbau in Afghanistan berichtete, es seien nur noch rund 57 Prozent des Landes in Händen der Regierung.
Der deutsche Afghanistan-Experte Reinhard Erös hält Abschiebungen an den Hindukusch grundsätzlich für möglich: „Natürlich gibt es Regionen und Dörfer, die relativ sicher sind. Die meisten jungen Afghanen verlassen ihre Heimat ja auch nicht, weil sie Angst vor den Taliban haben, sondern weil sie keinerlei Perspektiven für ihre Zukunft sehen.“ Erös ist dafür, dass Afghanen, die in Deutschland schwere Straftaten wie Vergewaltigungen oder Gewaltverbrechen begehen, konsequent abgeschoben werden.
Die Abschiebung von unbescholtenen Afghanen aber hält Erös, dessen Kinderhilfe Schulen, Kindergärten und sogar eine Universität errichtet hat, für falsch: „Die meisten sind sehr lernwillig, zuverlässig und integrationsfähig. Diese Leute werden bei uns dringend gebraucht. Das sieht auch der bayerische Mittelstand so“, sagte Erös der Redaktion. Mit den Abschiebungen erreiche man lediglich, dass die Arbeit von „Zehntausenden, die sich alleine in Bayern erfolgreich für die Flüchtlingshilfe und die Integration engagieren, letztlich umsonst“ sei.
Die Bundesregierung hält jedoch Kurs. Am Mittwoch wurden Maßnahmen für eine konsequentere Abschiebepraxis auf den Weg gebracht. Das Kabinett beschloss einen Gesetzentwurf, mit dem Beschlüsse von Bund und Ländern umgesetzt werden sollen. Vorgesehen ist auch eine Ausweitung der Abschiebehaft für sogenannte Gefährder.
In München gab es für den Start der Maschine mit den Afghanen zunächst keine offizielle Bestätigung. Später teilte das bayerische Innenministerium mit, ein Flughafen sei in Richtung Kabul gestartet. Entgegen früheren Angaben der Polizei Oberbayern wurden nicht rund 50, sondern 18 Menschen abgeschoben. Unter anderem der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hatte die geplante Abschiebung zweier Männer kurzfristig gestoppt. mit dpa/AFP
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