Angst vor dem "Kifferparadies": Bayern rüstet gegen Cannabis auf
Die CSU warnt vor einem "Kontrollverlust mit Ansage". Bereits beschlossen ist eine Kontrolleinheit zur Überwachung von Anbauvereinen.
Bayern soll auch nach der teilweisen Legalisierung von Cannabis "kein Kifferparadies" werden. Das ist der erklärte Wille der Bayerischen Staatsregierung. Gesundheitsministerin Judith Gerlach und Staatskanzleiminister Florian Herrmann (beide CSU) bekräftigten nach der Sitzung des Kabinetts am Dienstag in München, dass sie die Drogenpolitik der Bundesregierung für "völlig falsch" halten und die Behörden in Bayern angewiesen werden, die neuen Regeln "möglichst restriktiv" auszulegen. Dafür soll eine zentrale Kontrolleinheit eingerichtet werden. Wann das neue Bundesgesetz in Kraft tritt und ob dagegen geklagt wird, blieb auch am Dienstag offen.
Staatskanzleiminister Herrmann spricht von einem "Kontrollverlust mit Ansage"
Der Widerstand bei der CSU in Bayern, aber auch bei der CDU in anderen Bundesländern, gegen die teilweise Legalisierung von Cannabis ist groß. Beide Parteien gehen davon aus, dass eine leichtere Verfügbarkeit der Droge auch zu vermehrtem Konsum führen wird, wodurch insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene massiven gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt würden. Außerdem sehen CSU und CDU erhebliche Probleme im Vollzug des neuen Gesetzes. Staatskanzleiminister Herrmann nannte die komplizierten Regeln "völlig absurd" und sprach von einem "Kontrollverlust mit Ansage".
Einige Verwirrung aber gibt es in der Staatsregierung offenbar in der Frage, ob das Gesetz auf dem Rechtsweg noch verhindert werden kann. Noch vor zwei Wochen hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angekündigt, er werde alle denkbaren Klagen prüfen lassen. Die Juristen im bayerischen Gesundheitsministerium haben sich daraufhin mit dieser Frage beschäftigt und kamen nach Aussage von Ministerin Gerlach zu dem Schluss, dass die Länder im Bundesrat dem Gesetz nicht zustimmen müssen und es somit auch für den Freistaat keine rechtliche Grundlage für eine Klage gegen das Gesetz gebe. Sie sehe keine Möglichkeit, die teilweise Legalisierung auf dem Klageweg zu verhindern, sagte Gerlach am Dienstag in München.
Bayerische Staatsregierung will Legalisierung von Cannabis "vollständig stoppen"
Zeitgleich erklärte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in Berlin, dass die Landesinnenminister von CDU und CSU eine Klage prüfen wollen. Joachim Herrmann ist zurzeit Sprecher der Innenminister der Union. Er sagte: "Wir waren uns einig, dass auf die Strafverfolgungs- und Ordnungsbehörden der Länder schwierige zusätzliche Aufgaben und ein immenser Aufwand zukommen. Das wollen wir auf keinen Fall akzeptieren."
Unabhängig von den juristischen Fragen will die Staatsregierung auf politischem Weg weiter Widerstand leisten und sich am 22. März im Bundesrat für die Einberufung eines Vermittlungsausschusses einsetzen. Ziel sei, so Gerlach, "das Gesetz vollständig zu stoppen". Wenn das nicht möglich ist, solle es wenigstens maximal verzögert oder entschärft werden. Diskutiert wird, wie berichtet, das Inkrafttreten auf 1. Oktober zu verschieben. Bisher war geplant, den Besitz kleiner Mengen gestaffelt nach Alter ab 1. April und den Anbau ab 1. Juli zu legalisieren.
Bayern soll nach dem Willen der Staatsregierung für alle Szenarien gewappnet sein. Das Kabinett hat am Dienstag der Einrichtung einer zentralen Kontrolleinheit zugestimmt. Um die geplanten Anbauvereinigungen zu überwachen und einen "engmaschigen Vollzug" sicherzustellen, sollen beim Landesamt für Gesundheit 20 neue Planstellen geschaffen werden. Für Aufbau und Betrieb der neuen Kontrolleinheit rechnet die Staatsregierung im Haushalt 2024/25 mit Kosten in Höhe von rund sechs Millionen Euro.
Scharfe Kritik an der Staatsregierung kam von den Grünen
Gerlach kündigte darüber hinaus an, dass die Prävention an Schulen systematisch ausgebaut werde. Seit dem Start des Schulprojekts zur Cannabis-Prävention im November 2022 seien schon rund 250 Moderatorinnen und Moderatoren ausgebildet worden, die bis Ende vergangenen Jahres bereits in rund 550 Schulklassen Aufklärungsarbeit geleistet hätten. Ziel der Staatsregierung ist es, das Programm künftig flächendeckend für alle Schulklassen in den Jahrgangsstufen 8 bis 10 anbieten zu können.
Scharfe Kritik an der Staatsregierung kam von den Grünen. "Söder und seine Regierung verlieren das Wesentliche aus den Augen. Während das Gesundheitssystem und sein Personal am Anschlag arbeiten, bastelt das Gesundheitsministerium an einem bayerischen Bürokratiemonster, um Cannabis-Klubs zu kontrollieren und unser Abwasser zu untersuchen", erklärte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Florian Siekmann. "Die gespielte Empörung und Hysterie im Kabinett bei diesem Thema wirken wirklich grotesk. Das eigentlich Tragische ist aber, dass die Leute im Land nichts von diesen unnötigen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen haben. Für eine CSU-PR-Show wird viel Geld und noch mehr Arbeitszeit verbrannt!"
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Dass Deutschland inklusive Bayern nun ein "Kifferparadies" werden könnten – diese Vorstellung finde ich echt witzig. Wegen drei selbst ziehbaren Pflanzen und der Entkriminalisierung von Kleinstmengenkiffern wird ein derartiger Aufwand betrieben? Das Geld wäre besser angelegt in eine sinnvolle Drogenaufklärung in den Schulen, die nicht moralisierend, sondern sachlich erfolgt. Das größte Übel dürfte nicht Cannabis sein, sondern diverse Pillen, die unter der Hand verkauft werden. Und dass Alkohol- und Medikamentenmissbrauch einen größeren volkswirtschaftlichen Schaden anrichtet als der Cannabiskonsum: einfach mal nachlesen. https://www.dhs.de/suechte/alkohol
Aber was wäre Bayern, wenn der Bierkonsum rückläufig wäre und das Schnapserl von den Getränkekarten verrschwinden würde? Was Bayern da aufführt, könnte man als Posse auf die Theaterbühne bringen, es ist weder effektiv noch vernünftig noch zielführend. Es lebe die bayerische Kontrolleinheit für den Hanf auf der Fensterbank...
Und Sie glauben das Frau Reichenauer, dass da dabei bleibt?
>>Wegen drei selbst ziehbaren Pflanzen und der Entkriminalisierung von Kleinstmengenkiffern wird ein derartiger Aufwand betrieben?<<
Dazu kann ich nur sagen: Wer glaubt wird selig und wer "nicht glaubt" kommt auch in den Himmel, "Lach"
Sollten Sie vorhaben, in den Cannabiskonsum einzusteigen, dann hat die Kontrolleinheit natürlich etwas zu tun. Ansonsten wird es bei der üblichen Szene bleiben, da bin ich überzeugt. Meinen Sie, in den Niederlanden kifft jeder Depp auf Teufel komm raus, nur weil er seine Drogen für den persönlichen Bedarf im Coffeeshop kaufen kann? Und das schon seit vielen Jahren?
Interessanterweise gibts jetzt 20 neue Kontrolletti-Planstellen, um Cannabis-Clubs zu überprüfen - weshalb nicht schon früher, um mit mehr Polizei gegen den Schwarzmarkt bei (harten) Drogen vorzugehen? Weshalb werden die Kontrollettis zur Überprüfung der Abgabe von hochprozentigem Alkohol an Minderjährige nicht auch aufgestockt? Wann startet das Schulprojekt zur Prävention von Alkohol-Konsum bei Kindern und Jugendlichen?...unangenehme Fragen fürs Team Populismus unter der Leitung von Söder...
Ja - am besten neben jeden Bürger auch ein Kontrolleur für alles. Das schaffen nicht mal die sog. autoritären Staaten.
Söder schon, wenn er glaubt, es kommt gut an an den bierseligen konservativen Stammtischen des Freistaats und hilft damit seinem Machterhalt!...aber ansonsten schimpft er schon gerne über andere Verbotsparteien.
#Martin D.
"...weshalb nicht schon früher, um mit mehr Polizei gegen den Schwarzmarkt bei (harten) Drogen vorzugehen?"
Das dachte ich mir auch zuallererst, jede Menge Aufwand durch die Legalisierung, aber nicht solange es illegal ist.
Eigentlich ein Widerspruch in sich.
Finde ich toll, dass die Drogenprobleme endlich angegangen werden. Der Alkoholkonsum in Bayern ist doch sehr hoch und vor allen Dingen sehr Gesellschaftsfähig.
... ach... es geht um kiffen? Sicherlich auch nicht toll.
Die Frage die sich mir hier stellt. Warum wird die eine Droge verteufelt und eine andere gefeiert?
Wird hier mit zweierlei Maß gemessen?
Und wenn es 10 Kontrolleinheiten gäbe - dieses Gesetz ist ein solcher Bürokratiemoloch, der sich einer halbwegs ordnungsgemäßen Überwachung entzieht.
Ein positiver Nebeneffekt ist das Neugierigen der Erstzugang erschwert wird was ich begrüßenswert finde.
Langjährige Konsumenten haben ihre Quellen und Freiluftpharmazeuten eh schon.
Vielleicht kann man ja die Kontrolleure aus dem Tierschutzbereich abziehen, dann kommt die Kontrolle im schimmligen Schlachthof halt nur noch alle 4 Jahre anstatt 3, dafür wird jeder Beleg im inhabergeführten Cannabis Club mit Lupe kontrolliert ob nicht doch eine Regelung möglicherweise nicht zu 100% erfüllt wurde.