"Die Nerven liegen blank": Das erlebten Pendler mit Go-Ahead
Wie schwierig ist das Reisen mit Go-Ahead? Auf unseren Leseraufruf meldeten sich einige Pendler, mit abenteuerlichen Geschichten, viel Ärger - und Lichtblicken.
Ein reibungsloser Wechsel sieht anders aus. Kaum übernahm der Betreiber Go-Ahead große Teile des Schienennetzes, häuften sich die Probleme. Zugausfälle, Verspätungen, kurzfristige Änderungen: Die Strecke zwischen Augsburg und München hat sich für viele zu einer Abenteuerreise entwickelt. Unsere Leserinnen und Leser schildern uns ihre Erlebnisse – und machen ihrem Frust Luft.
"Eine Frechheit": Pendler aus Kissing und Mering beschweren sich
"Unvorstellbar einfach. Man kann gar nicht fassen, dass so viel Versagen möglich ist": Auf Facebook hielten sich viele nicht zurück in ihrem Frust über Go-Ahead, den Partner Siemens und den Bahnverkehr. "Wie ich den erlebe? Eigentlich fast gar nicht, denn es fährt kaum was", kommentiert ein Nutzer. "Das wollt ihr gar nicht wissen", schreibt eine andere Pendlerin. "Siemens Mobility hat Schrott geliefert. Und man wusste es. Versagen mit Ansage in meinen Augen. Hauptsache billig." Die Ausfälle bei den niedrigen Temperaturen waren für viele besonders schlimm. "Bei eisiger Kälte am Bahnsteig stehen, ständig um fünf Minuten vertröstet werden, zum Schluss kommt gar kein Zug. Da fehlt es nicht nur an der Technik der Züge, sondern überall! Eine Frechheit!", beschwert sich eine Userin.
Eine andere wünscht sich den vorigen Betreiber zurück. "Wie kann man ein funktionierendes System so zerstören?" Sie habe Tumulte und Anfeindungen erlebt - und eine heillose Überforderung des Personals. "Dann kam die Bitte um Verständnis, wir Pendler könnten uns doch auf die Situation einstellen. Heißt? Auto? Homeoffice?"
Ein Kissinger musste in Augsburg auf das Taxi umsteigen
Rupert Heinlein hatte einen wichtigen Termin in Augsburg-Oberhausen, vier Stationen von Kissing entfernt. "Das ist kein Problem. Dachte ich!", schreibt er. Das Durcheinander begann am Bahnsteig: "Ich durfte einer Vielzahl an Ansagen lauschen, dem ganzen Repertoire. Kein Zug, Türe defekt. Polizeieinsatz, defekter Triebwagen, Weiche. Aber nichts zu meiner Verbindung." Sein Zug kam, endete aber am Hauptbahnhof. "Dort angekommen nur Chaos, Mitarbeiter von Go-Ahead standen zahlreich am Bahnsteig, konnten aber nichts bewegen." Aus Zeitnot nahm sich Heinlein schließlich ein Taxi. Er folgert trocken: "Danke, Go-Ahead."
Gemischte Erfahrungen machte die Meringerin Alexandra Dössinger. Sie pendelt seit drei Jahren nach München. "Einerseits finde ich die neuen Züge sehr schön, viel Platz im Fußraum, Ablagefächer für Koffer und Armlehnen, die man nutzen oder wegklappen kann." Doch nicht alles sei gut an den neuen Waggons: "Wenn man in den Doppelstockzügen oben sitzt, wird man arg geschaukelt. Da kann es einem beim Zeitunglesen schon leicht übel werden. War im Fugger-Express nie." Die jetzigen Probleme seien eine Zumutung, wie sie erzählt. Es sei schwer, pünktlich zur Arbeit zu kommen, mit all den Verspätungen, Ausfällen und fehlenden Wagenreihungen. Das erfordere Toleranz von ihrem Arbeitgeber. "Wir können uns nur alle wünschen, dass das bald anders läuft."
Lydie Ducreux pendelt seit 20 Jahren täglich von Mering nach München. "Vieles habe ich schon erlebt, aber jetzt liegen die Nerven blank", schreibt sie. Die vergangene Woche sei eine große Herausforderung und voll von Enttäuschung und Ärger gewesen. Viele Verspätungen, kurze Züge und ein Zugausfall, der sie gezwungen habe, mit dem Taxi nach Hause zu fahren. "Leider waren keine Ersatzbusse zur Verfügung, es gab keine Durchsagen oder Informationen am Bahnhof." Auch die Züge selber seien nicht optimal, wie Ducreux beschreibt. Es mangle an Möglichkeiten, sich festzuhalten. "Gerade wenn man mittendrin steht und an die Griffe nicht rankommt, weil sie zu hoch hängen." Für Go-Ahead und seine Partner gebe es viel zu tun. "Ich hoffe, dass wir Pendler nach den Weihnachtsferien positiv ins neue Jahr starten werden."
Seit der Übernahme durch Go-Ahead muss Carmen Heinrich-Koch ihre Tochter in die Schule fahren, weil sie ihren Anschlusszug nicht bekommt. "Wenn sie auf den nächsten Zug warten würde, wäre sie erst um 9 Uhr in der Schule." Die Familie zahle jeden Monat 118 Euro für die Fahrkarte, jetzt kommen die Spritkosten für die Fahrt hinzu. "Unser Glück ist, dass sie wenigstens mittags nach Hause fahren kann - wenn auch mit Verspätung."
In Kissing habe es bereits Probleme mit dem Bahnverkehr gegeben
Seine Frau pendle seit dem Jahr 2021 regelmäßig von Kissing nach Augsburg, berichtet Erich Weichselgartner aus Kissing. Einige Probleme habe es immer gegeben, gerade mit den Anschlüssen. Er fragt sich, warum man sich dann gerade für den "schlechtesten aller Zugbetreiber" entscheiden konnte, als der das Unternehmen Go-Ahead seinen Informationen nach in England gilt. Auch in Baden-Württemberg habe es ähnliche Schwierigkeiten mit Go-Ahead gegeben. "Ebenso wundert man sich, dass Züge vom Eisenbahn-Bundesamt zugelassen werden, die nicht für den Winter geeignet sind." In Kissing gebe es zudem viele Probleme mit ausgefallenen Bussen. Für ihn stellt sich auch die Frage der Entschädigung, nicht nur im Sinne einer Vertragsstrafe für die Verkehrsbetreiber, sondern auch für die Inhaberinnen und Inhaber von Monatskarten. "Was nützt eine Monatskarte des AVV, wenn man immer wieder auf den Pkw zurückgreifen muss?". Etwas Positives habe die Umstellung aber gebracht: Die blauen Go-Ahead-Züge hätten eine bessere Platzaufteilung, besonders für die Mitnahme von Fahrrädern.
Hannelore Leirer muss vierteljährlich nach München in die LMU (Ludwig-Maximilians-Universität). Für die 80-jährige Friedbergerin ist die Zugfahrt immer eine Herausforderung. Ihr Mann kann sie dabei seit einem Sturz nicht mehr begleiten. Bei ihrem letzten Besuch geriet sie dann auch noch in die Wirren des Betreiberwechsels. Das Friedberger Bürgernetz brachte sie noch gut nach Hochzoll, wo ihr der Zustieg leichterfällt. "Es war sehr, sehr kalt" berichtet sie. Im Zug von Go-Ahead ergatterte sie den letzten freien Platz direkt am Fenster. Von der Außenwand strahlte die Kälte zu ihr herein. "Das war um einiges schlechter als im Fugger-Express", sagt sie. Schon in Hochzoll standen die Menschen in den Gängen. "In Mering kam keiner mehr rein - und das bei der Kälte", erinnert sie sich. Auch die Rückfahrt empfand sie als chaotisch. Auf der Anzeige stand lediglich München-Mering - durch Nachfragen erfuhr die Friedbergerin, dass der Zug sehr wohl bis nach Augsburg weiterfährt. Im Zug selbst erfolgten keinerlei Ansagen mehr.
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Wieso kommt mir das nur bekannt vor? Ach ja, klingt wie bei der Einführung des Fugger und es bleibt nur zu hoffen das die Behebung der Probleme dieses mal schneller geht
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Aber es ist nicht zu fassen das bei jeder Einführung von neuen Zügen, egal ob Regionalverkehr oder S-Bahn, man davon ausgehen muss das sie mit dem Prinzip Ware reift beim Kunden hergestellt und verkauft werden. Da kann man nur hoffen das in den Verträgen entsprechende Konventionalstrafen für solche Planungs- und Herstellungsfehler vorgesehen sind