Merkel lehnt Direktwahl des Bundespräsidenten ab
Berlin (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnt die von Bundespräsident Horst Köhler angeregte Direktwahl des Staatsoberhaupts strikt ab.
Dies würde "die gesamte Statik des deutschen Staatsaufbaus massiv verändern", sagte Merkel am Montag nach einer gemeinsamen Präsidiumssitzung von CDU und CSU in Berlin. "Man kann unmöglich einen Bundespräsidenten direkt wählen und sagen, das Aufgabenspektrum ändert sich nicht." Auch bei CSU, SPD und Grünen stieß Köhlers Idee auf rigorose Ablehnung. Nur die FDP unterstützte den Vorschlag.
Köhler hatte sich unmittelbar nach seiner Wiederwahl am Samstag im ZDF für eine stärke Beteiligung der Bürger an der Politik ausgesprochen und in diesem Zusammenhang auch eine Direktwahl des Bundespräsidenten ins Gespräch gebracht. Die Amtszeit sollte auf sieben oder acht Jahre verlängert werden, dann aber ohne die Möglichkeit einer Wiederwahl. Auch seine Vorgänger Richard von Weizsäcker und Johannes Rau hatten dies vorgeschlagen. Laut Grundgesetz wird der Bundespräsident alle fünf Jahre von der Bundesversammlung gewählt, die sich je zur Hälfte aus Delegierten des Bundestages und der Länder zusammensetzt.
Merkel verwies darauf, dass eine Änderung der Verfassung in diesem Punkt auch das Verhältnis von Bund und Ländern, zwischen Bundestag und Bundesrat sowie dem Bundeskanzler und dem Staatsoberhaupt berühren würde. Bei einer Direktwahl würde sich das deutsche Verfassungssystem zudem auch immer mehr dem der USA oder Frankreichs annähern. Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) lehnte eine Direktwahl ab. "Der Bundespräsident sollte aus dem ganzen Wahlkampfgetümmel herausgehalten werden", sagte er der ARD.
Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer sagte der "Süddeutschen Zeitung" (Montag): "Das jetzige Wahlverfahren für das Amt des Bundespräsidenten und seine Amtsstellung haben sich bewährt. Da sehe ich keinen Änderungsbedarf." Ähnlich äußerte sich Sachsen- Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU). Die Idee einer Direktwahl entspreche nicht der Architektur des Grundgesetzes, sagte er dem Radiosender MDR INFO.
Im Gegensatz zur CSU zeigte sich Merkel auch skeptisch gegenüber der Einführung von Volksentscheiden. CSU-Chef Seehofer betonte nach der Sitzung, er sei hier anderer Ansicht.
Auch die SPD-Spitze lehnt eine Direktwahl des Bundespräsidenten ab. Dadurch würde das Kräfteverhältnis zwischen Kanzler und Staatsoberhaupt verschoben, sagte Generalsekretär Hubertus Heil. Gleichzeitig unterstützte die SPD aber Köhlers Vorschlag, mehr plebiszitäre Elemente wie Volksinitiativen und Volksentscheide auf Bundesebene zu ermöglichen. Heil sprach sich für rasche Gespräche mit den anderen Parteien aus, um zu einer Vereinbarung für die nächste Wahlperiode zu kommen. Klar sei, dass über Grundrechte in der Verfassung oder über den Kurs in der Außen- und Sicherheitspolitik keine Volksabstimmungen möglich seien.
Die FDP befürwortet eine Direktwahl des Präsidenten. Mittelfristig müsse es für das Staatsoberhaupt dann auch nur eine auf sieben Jahre verlängerte Amtsperiode geben, sagte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel. "Das ist seit Jahren Beschlusslage bei der FDP". Dem "Kölner Stadt- Anzeiger" (Montag) sagte Niebel: "Wäre das bei dieser Wahl der Fall gewesen, so wäre Bundespräsident Horst Köhler mit einer überwältigenden Mehrheit gewählt worden."
Die Grünen unterstützten die Forderung nach mehr Volksbeteiligung. Man brauche eine "Frischzellenkur gegen die Politikverdrossenheit". Zu der Direktwahl gebe es aber ein klares Nein, denn dies würde "das Machtgefüge verschieben", sagte die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth. Der Bundespräsident hätten eine repräsentative Funktion. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger", könnte die Bevölkerung das Staatsoberhaupt bestimmen, "wäre der Bundespräsident ähnlich legitimiert wie der Bundestag selbst". Dies berge erhebliches Konfliktpotenzial.
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