CSU nach Wahlen unter Druck - Freie Wähler mit Wunschliste
Zwar wollen CSU und Freie Wähler weiter koalieren - aber über das Kräfteverhältnis ist man sich noch lange nicht einig. Die Verhandlungen dürften rauer werden als so manchem lieb ist.
Nur einen Tag nach der Landtagswahl in Bayern behakeln sich die bisherigen - und wahrscheinlich auch künftigen - Koalitionspartner CSU und Freie Wähler ungewöhnlich deutlich gegenseitig. So dringen die Freien Wähler beispielsweise nach ihrem deutlichen Plus auf ein weiteres Ministerium. Die Absage der Christsozialen erfolgte am Montagmorgen umgehend - ob sie beim klaren Nein für einen vierten Minister oder eine Ministerin bleiben können, wird sich spätestens bei den Gesprächen über ein neuerliches Bündnis zeigen. Einige in der CSU drängen schon auf eine schärfere Auseinandersetzung mit dem alten und voraussichtlich neuen Koalitionspartner.
Am Vormittag kam der CSU-Vorstand in München zusammen. "Wir haben die Landtagswahl als stärkste Kraft wieder bestritten und werden auch weiter Bayern klar und kraftvoll führen", sagte Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder. Er hatte am Vorabend angekündigt, das Wahlergebnis sauber aufarbeiten zu wollen. Ähnliche Forderungen kamen auch aus der Partei.
Die CSU bleibt nach dem vorläufigen Endergebnis mit 37,0 Prozent deutlich stärkste Kraft, rutschte aber noch unter ihr desaströses Ergebnis von 2018 (37,2). Die Freien Wähler verbesserten sich auf 15,8 Prozent (11,6). Die Grünen verloren auf 14,4 Prozent (17,6). Die AfD legte auf 14,6 Prozent zu (10,2), die SPD kam nur noch auf 8,4 Prozent (9,7). Die FDP verpasste mit 3,0 Prozent den Wiedereinzug ins Parlament (5,1). Die Wahlbeteiligung lag bei 73,3 Prozent (+1,0).
In der neuen Legislaturperiode gehören dem Landtag zwei Abgeordnete weniger an. Mit 203 Mandatsträgern sind es aber weiterhin deutlich mehr als die 180 in der Verfassung vorgesehenen Sitze. Verantwortlich für den Aufwuchs sind die Überhangs- und Ausgleichsmandate.
Von den 203 Abgeordneten (2018: 205) werden 85 Abgeordnete der CSU angehören (2018: 85). Die Freien Wähler kommen auf 37 Sitze (2018: 27), die Grünen auf 32 (2018: 38), die AfD auf 32 (2018: 22) und die SPD auf 17 (2018: 22).
Der bisherige Gesundheitsminister Klaus Holetschek soll neuer CSU-Fraktionschef werden. Söder schlug den 58-Jährigen in der Vorstandssitzung für den Posten vor, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen erfuhr. Holetschek soll auf Thomas Kreuzer folgen, der nicht mehr für den Landtag kandidiert hatte. Die offizielle Wahl soll in einer Fraktionssitzung an diesem Dienstag sein.
Als Landtagspräsidentin schlug Söder wie ebenfalls erwartet erneut Ilse Aigner vor. Die 58-Jährige hat dieses Amt bereits seit 2018 inne. Die offizielle Wahl ist in der konstituierenden Sitzung des neuen Landtags vorgesehen, die für den 30. Oktober geplant ist.
Söder soll nach dem Willen des CSU-Vorstands wieder Ministerpräsident werden. Diese Wahl erfolgt nach der konstituierenden Sitzung des Landtags. Zuvor will die CSU mit den Freien Wählern (FW) Verhandlungen über die Fortsetzung der seit 2018 bestehenden Regierungskoalition führen.
CSU-Generalsekretär Martin Huber erteilte am Montagmorgen Wünschen der FW nach einem vierten Ministerium eine Absage. "Das Ergebnis gibt nicht den Anspruch her, seitens der Freien Wähler ein weiteres Ministerium zu fordern", sagte er im Bayerischen Rundfunk. FW-Fraktionschef Florian Streibl hatte zuvor im BR bekräftigt, dass seine Partei als zweitstärkste Kraft ein weiteres Ministerium wolle.
Freie-Wähler-Parteichef Hubert Aiwanger untermauerte ebenfalls den Anspruch auf ein viertes Ministerium. "Wenn man die Wahlergebnisse anschaut, glaube ich, dass jeder sich ausrechnen kann, wie viele Ministerien uns zustehen", sagte Aiwanger in München. "Das kann jeder Grundschüler ausrechnen, wer wie viel bekommt." Seine Partei sei der Wahlsieger dieser Landtagswahl in der Bayern-Koalition.
Aiwanger warnte die CSU vor einer Abgrenzung von den Freien Wählern. "Jede Abgrenzung von uns bedeutet eine Abkehr vom gesunden Menschenverstand", sagte er. "Ich würde der CSU empfehlen, jetzt nicht so mädchenhaft aufzutreten."
CSU und Freie Wähler möchten nach derzeitigem Stand ihre bisherige Koalition fortsetzen. Die FW stellen bisher mit Aiwanger den Vize-Ministerpräsidenten und Wirtschaftsminister. Sie führen zudem bisher das Kultusministerium und das Umweltministerium.
Nach Ansicht von Ex-CSU-Chef Erwin Huber ist das starke Abschneiden der FW auch hausgemacht. "Ich glaube, dass es strategisch ein Fehler war, einen Koalitionswahlkampf zu führen", sagte er im Deutschlandfunk. Aiwanger habe die Zusage der CSU für eine Fortsetzung der Koalition "schamlos ausgenutzt, die Beinfreiheit genutzt für Populismus und Propaganda". "Und das ist auch zulasten der CSU gegangen", sagte Huber. "Das heißt, diese Arbeitsteilung, die einen machen die Arbeit, jetzt sage ich mal CSU, die anderen machen die Propaganda, kann natürlich in den nächsten fünf Jahren nicht so weitergehen."
CSU-Vize Manfred Weber hatte am Sonntagabend betont, dass die FW "eine unmittelbare Konkurrenz im bürgerlichen Lager" seien und man sie "auch in den Koalitionsverhandlungen nicht mehr ausschließlich mit Samthandschuhen anfassen" dürfe.
Der Chef der Bundestags-CSU, Alexander Dobrindt, forderte als Konsequenz aus dem Wahlergebnis eine schärfere Auseinandersetzung mit dem alten und voraussichtlich neuen Koalitionspartner. "Es braucht einen Wettbewerb mit den Freien Wählern, es braucht eine gesunde Konkurrenzsituation", sagte Dobrindt vor der CSU-Vorstandssitzung. Die Freien Wähler seien in erster Linie Wettbewerber. "Und ich rate der CSU dringend, diesen Wettbewerb auch stärker anzunehmen, stärker zu führen." Die deutlichere Auseinandersetzung solle freilich "nicht unfair sein, sondern das muss sportlich sein", sagte Dobrindt.
(dpa)
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