Bayerns Sieg gegen Dortmund: Und das war erst der Anfang
Thomas Tuchel kommt es gelegen, dass seine Mannschaft beim 4:2 gegen Dortmund zeitweise schlampig auftritt. Für die Zukunft lässt sich aus dem Sieg allerdings kaum etwas ableiten.
Fußballer – und insbesondere wohl Torhüter – neigen nach Enttäuschungen zur drastischen Wortwahl. Da ist nach Niederlagen schon mal die Rede von einer "Katastrophe". Die Schlussmänner nun wiederum tendieren offensichtlich in den Sprachgebrauch, der etwas fäkal daherkommt. Augsburgs Rafal Gikiewicz konstatierte nach seinem Fehler zum 2:2 gegen Wolfsburg, dass man es "verkackt" hätte. Dortmunds Gregor Kobel sprach wenige Stunden später am Samstag von einer "schönen Scheiße".
In ebenjene hatte der Schweizer Keeper seine Mannschaft manövriert, als er in der 13. Minute ein derart formvollendetes Luftloch schlug, dass die meisten der Zuschauer einen Moment benötigten, das Gesehene zu verarbeiten. Das meiste im Leben ist ja vorhersehbar, Mensch reagiert automatisch. So aber dauerte es kurz, ehe die Fans das Lärmen anfingen. Münchens Dayot Upamecano hatte einen Pass gespielt, der den anvisierten Leroy Sané niemals erreicht hätte. Weil nun aber Kobel seien Fuß unter dem Ball hindurch schwang, trudelte der Ball ins Dortmunder Tor. "Das Spiel hat das Ergebnis nicht hergegeben", konstatierte nach dem Spiel Thomas Tuchel. Dabei bezog er sich nicht einmal auf den ersten Treffer des FC Bayern, sondern sprach über die 3:0-Führung der Münchner nach 23 Minuten.
Irgendwas vermasseln die Dortmunder immer beim FC Bayern
Kobel übernahm die Hauptschuld für die 2:4-Niederlage, die sein Team am Ende in München erlitt. Schließlich habe er mit seinem Fehler für "einen Knick" in der Mannschaft gesorgt. Zu hart freilich sollte der 25-Jährige nicht mit sich selbst ins Gericht gehen. Schließlich erleiden die Dortmunder ja Jahr für Jahr irgendwann mindestens einen Knick, wenn sie beim FC Bayern gastieren. Meistens kehren sie fein säuberlich zusammengefaltet in die Heimat zurück.
Vor zwei Jahren beispielsweise führten sie nach neun Minuten dank zweier Treffer von Erling Haaland bereits mit 2:0 und fanden schließlich doch noch einen Weg, am Ende mit 2:4 zu verlieren. Die Bayern verloren letztmals 2014 ein Bundesliga-Heimspiel gegen Borussia Dortmund. Sie standen damals schon als Meister fest. Jupp Heynckes gewann ebenso gegen den BVB wie Hansi Flick oder Julian Nagelsmann. Ja, sogar Carlo Ancelotti und Niko Kovac hatten keinerlei Probleme mit dem Rivalen aus dem Ruhrpott. Tuchel wollte verständlicherweise den Sieg nicht mit seiner Person in direkte Verbindung bringen. Nach lediglich eineinhalb Trainingseinheiten mit seinem neuen Team wäre alles andere auch vermessen.
Genauso wird die Niederlage selbstverständlich mit Kobel assoziiert werden, doch letztlich trifft ihn kaum mehr Schuld als den Rest einer mal wieder in sich zusammenfallenden Mannschaft. Zwei Mal ließen sie Thomas Müller unverständlicherweise aus den Augen, schon stand es 3:0. Mal wieder eine frühe Entscheidung. Hätten die Münchner anschließend nicht etliche ihrer herausragenden Chancen verdaddelt, hätten die Borussen eine noch viel empfindlichere Niederlage kassiert. So aber durften sie nach dem Treffer von Kingsley Coman noch in Person von Emre Can und Donyell Malen auf 2:4 verkürzen .
Tuchel kam das Ergebnis gelegener als ein Auftaktsieg epischen Ausmaßes. So nämlich konnte er vollkommen berechtigt darauf hinweisen, dass noch "viel Luft nach oben" bestehe. Dass man "zu schlampig" gespielt hätte und sich infolgedessen "zu viele Ballverluste" erlaubt hätte. Es gibt also noch allerhand zu verbessern, aber selbstverständlich verpasste es der Coach auch nicht, Einsatzwille und Leidensbereitschaft seiner Mannschaft zu loben. Vor allem daran hatte es ja dem Team zuletzt in mancher Partie gefehlt, weshalb die Spiele der Münchner von einer Spannung geprägt waren, die den Bossen an der Säbener Straße so gar nicht gefallen hat. Mit Tuchel nun soll der Zufall vertrieben werden.
Gegen Dortmund war das noch nicht notwendig. Diese Partie folgt alten Gesetzmäßigkeiten, an denen sich kein Bayern-Trainer vergreifen sollte. Einfach die Mannschaft machen lassen. Die kommenden Wochen werden weisen, ob Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic sich nach der Saison abermals für den Trainerwechsel werden rechtfertigen müssen – oder aber, ob sie mit selbstbewusstem Lächeln die nachträglichen Glückwünsche zu dieser Entscheidung entgegennehmen.
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