
Corona weltweit
So kämpft die Welt gegen das Coronavirus und den Impfstoffmangel

Plus Nicht nur in Deutschland ringen Politik und Gesellschaft um Lösungen im Kampf gegen das Coronavirus. Unsere Korrespondenten berichten, wie die Lage in anderen Ländern der Welt ist.
Der Schreck aus dem Frühjahr 2020 sitzt noch tief: Einseitige Kontrollen an den Grenzen in Europa sorgten zu Beginn der Corona-Krise nicht nur für schlechte Stimmung, sondern auch für Megastaus. Doch knapp ein Jahr später ist es ein Szenario, das durchaus wieder realistisch ist. Die Corona-Krise hat in den meisten Ländern Europas und der Welt einen neuen Höhepunkt erreicht. Alle kämpfen gegen das Virus und für mehr Impfstoff - doch die Wege, die die Länder bestreiten, sind so unterschiedlich wie ihre Ausgangslagen. Wie steht es um die Menschen in Frankreich, Großbritannien, Spanien, USA, Belgien oder Niederlande? Das zeigt sich in den Vor-Ort-Berichten unserer Korrespondenten.
Frankreich: Ab 18 Uhr gilt Ausgangssperre - Der harte Lockdown zeigt Wirkung
Frankreich befindet sich in einer seit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie ungewohnten Lage: Während es in den ersten Monaten zu den am stärksten betroffenen Ländern in Europa gehörte, erreichen die Infektionszahlen derzeit einen niedrigeren Stand als anderswo. Sie liegen auch unter denen des deutschen Nachbarn, mit dem man sich stets verglich, kam Deutschland doch deutlich besser durch die erste Pandemie-Welle.
Offenbar zeigte ein strikter zweiter Lockdown im Herbst Wirkung, bei dem sich die Franzosen erneut nur mit schriftlicher Ausgangsbescheinigung fortbewegen und ohne triftige Gründe nicht weiter als einen Kilometer von ihrem Zuhause entfernen durften. Die Schulen blieben aber offen und noch im Dezember machten alle Läden wieder auf, denen man nach einem wirtschaftlich harten Jahr das Weihnachtsgeschäft nicht vorenthalten wollte.

Von den zum Ziel gesetzten maximal 5000 Neuinfektionen pro Tag ist Frankreich allerdings immer noch weit entfernt und inzwischen starben mehr als 70.000 Menschen an oder nach einer Infektion mit dem Coronavirus. Deshalb gilt seit Anfang Januar im ganzen Land eine Ausgangssperre ab 18 Uhr, zum Homeoffice wird geraten, Restaurants, Bars, Theater und Kinos bleiben zu. Vor strikteren Maßnahmen schreckt die Regierung noch zurück – sie steht ohnehin im Kreuzfeuer der Kritik.
Denn die Impfkampagne lief schleppend an, was nicht nur logistischen und administrativen Hürden, sondern auch der Angst vor einem lautstarken Widerstand der vielen Impfgegner im Land geschuldet war. Um sie nicht zu verschrecken, verlor man wichtige Zeit – bis der Vergleich mit dem Ausland den Druck erhöhte und das Prozedere beschleunigt wurde. Bis Monatsende will man eine Million Franzosen geimpft haben. Birgit Holzer
Großbritannien: Die Ärzte sind verzweifelt - Kritik an Johnsons Kurs
Als am vergangenen Wochenende erstmals seit einer gefühlten Ewigkeit wieder die Sonne in England schien, trieb es die Londoner nach draußen. Dabei gilt seit Anfang Januar ein nationaler Lockdown, die Briten sind aufgerufen, zu Hause zu bleiben. Kontakte zu anderen Haushalten sind in Innenräumen nicht erlaubt, draußen darf nur eine Person aus einem anderen Haushalt getroffen werden.

Anders als im vergangenen Jahr interpretieren die Briten die Regeln derzeit aber lockerer. Dabei ist die Pandemie völlig außer Kontrolle geraten, in London herrscht der Katastrophenfall. Rund 95.000 Menschen sind Regierungsangaben zufolge an oder mit dem Coronavirus gestorben. Und die „schlimmsten Wochen der Pandemie“ stünden noch bevor, warnte der medizinische Chefberater der Regierung, Chris Whitty, zuletzt.
Zwischen 50.000 und bis zu knapp 69.000 Neuinfektionen registrierte das Land in der ersten Januarhälfte täglich. Nun spiegeln sich diese Fallzahlen in den Todeszahlen wider. Am Mittwoch registrierte Großbritannien für die vergangenen 24 Stunden 1820 Verstorbene – ein trauriger Rekord seit Beginn der Pandemie.
Völlig verzweifelte Ärzte und Schwestern berichten von desolaten Zuständen in den heillos überfüllten Krankenhäusern, wo Kinderabteilungen in Intensivstationen umfunktioniert werden und Physiotherapeuten oder Hautärzte plötzlich wegen des Personalmangels schwer kranke Covid-Patienten betreuen.
Feuerwehrleute und Polizisten bringen in London Patienten in die Kliniken, weil es nicht mehr ausreichend Rettungswagen gibt. Beobachter üben scharfe Kritik am Schlingerkurs der Regierung, am zögerlichen Vorgehen von Johnson und der verwirrenden Kommunikation. Katrin Pribyl
Spanien: Die Wirtschaft taumelt am Abgrund - Hungerschlangen auf Mallorca
Jeden Morgen um neun öffnen sich die Türen des Kapuzinerklosters in Palma de Mallorca, um Essen an die Armen zu verteilen. Die Hungerschlange der Wartenden misst mehrere hundert Meter. Sie ist in diesen Tagen so lang wie noch nie. In ihr spiegelt sich die wachsende Not auf der Urlaubsinsel.

Bevor die Corona-Epidemie ausbrach, habe man etwa 100 bis 150 Essensrationen täglich verteilt, berichtet Pater Gil Parés. Nun seien es gut doppelt so viele Portionen. „Früher haben wir vor allem Obdachlosen geholfen“, sagt der Klostervorsteher. Aber jetzt kämen auch ganz normale Leute: Darunter viele Menschen, die durch Corona ihren Job verloren haben. Der Tourismus ist Mallorcas wichtigste Einnahmequelle.
Und diese ist seit Epidemiebeginn im März 2020 weitgehend versiegt. „Wir werden die Corona-Pandemie bezwingen“, verspricht Regierungschef Pedro Sánchez. Dann bekomme man auch die Wirtschaftskrise in den Griff. Das ist dringend notwendig.
Kein anderes EU-Mitglied leidet wirtschaftlich so sehr unter der Pandemie wie Spanien. Wohl auch deswegen, weil das Königreich schon vor Beginn der Corona-Krise auf schwachen Füßen stand. Die Folgen der Immobilien-, Banken- und Schuldenkrise, die das Land 2012 an den Rand der Staatspleite brachte, sind noch nicht verdaut.
Doch nicht nur die Wirtschaftszahlen bereiten Sorge. In Spanien ist die Zahl der Neuinfektionen zuletzt an einem Wochenende auf einen Höchstwert von 84.287 gestiegen. Diskutiert wird, Ausgangssperren schon ab 20 Uhr anzuordnen. Landesweit gelten verschiedene Regeln, da jede Gemeinschaft selbst entscheiden kann. Gaststätten dürfen meist entweder nur noch außer Haus verkaufen oder nur im Freien servieren. Theater und Kinos dürfen, wenn überhaupt, nur einen Bruchteil ihrer Plätze besetzen. Und auf Mallorca gilt jetzt: Klappe halten in Bus und Bahn. Ralph Schulze
USA: Die Pandemie ist weiter außer Kontrolle - Biden drückt aufs Tempo
Als Präsident Joe Biden am Mittwoch auf den Stufen des Kapitols stand und seine Rede ans Volk richtete, hielt er für einen Augenblick inne. Mit einem Moment des Schweigens sollte der Corona-Toten gedacht werden. Es war der Tag, an dem der zweithöchste Stand an Corona-Toten seit Beginn der Pandemie erreicht wurde. 4231 Menschen starben an nur einem Tag an den Folgen der Pandemie.
Biden steht nun vor einer gewaltigen Herausforderung: Sein Vorgänger hatte der Seuche nur wenig Beachtung geschenkt. In einem Tweet nach seiner eigenen Covid-19-Erkrankung hatte Trump geschrieben: „Habt keine Angst vor Covid. Lasst es nicht euer Leben dominieren.“ Doch die Pandemie ist in den USA weiterhin außer Kontrolle. Und Trump-Vize Mike Pence will sich öffentlich gegen Corona impfen lassen. Seit Bekanntwerden des ersten Falls vor rund einem Jahr sind nach einer Statistik der Johns-Hopkins-Universität mehr als 24 Millionen Coronavirus-Infektionen in den USA nachgewiesen worden. Rund 400.000 Menschen kamen nach einer Infektion ums Leben.

Besonders angespannt ist die Situation in Los Angeles. In einer ersten Amtshandlung ordnete Biden für die nächsten 100 Tage eine Maskenpflicht an. Sie greift allerdings nur an Orten im Zuständigkeitsbereich des Bundes, beispielsweise in Gebäuden von Bundesbehörden, Flugzeugen und Zügen sowie Bussen im Verkehr zwischen Bundesstaaten. Ansonsten haben die Bundesstaaten weitgehend freie Hand, was sie ihren Bürgern zumuten.
Ähnlich wie in Europa kommen auch in Amerika die Impfungen nur sehr schleppend voran. 16.525.281 Dosen wurden laut der amerikanischen Gesundheitsbehörde bis 20. Januar verabreicht. Biden will das Tempo schnell erhöhen. In den ersten 100 Tagen, in denen er im Amt ist, will er 100 Millionen Impfdosen verabreicht haben und die meisten Schulen wieder öffnen. (AZ)
Afrika: Zweite Welle trifft den Kontinent hart - Warten auf den Impfstoff
Es war wohl so etwas wie die Zahl der Woche: Ganze 25 Dosen Impfstoff sind bislang in einem der armen Länder dieser Welt verspritzt worden. Das verkündete WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Um welchen Staat es sich dabei handelt, wollte er nicht sagen.
Aber es könnte ein afrikanisches Land gewesen sein. „Ich muss unverblümt sagen: Die Welt steht am Rand eines katastrophalen, moralischen Versagens“, sagte Tedros. Sein Vorwurf: Die reichen Länder greifen den Impfstoff ab. Alle anderen schauen in die Röhre.
Nun macht die Afrikanische Union (AU) Druck: Über eine Initiative namens AVATT wurden 270 Millionen Impfdosen beschafft. 50 Millionen sollen zwischen April und Juni zur Verfügung stehen, hatte Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa kürzlich erklärt und den Produzenten Biontech erwähnt.
Der Inselstaat der Seychellen und der westafrikanische Staat Guinea haben mit ersten Impfungen begonnen – mit Präparaten aus China (Seychellen) und Russland (Guinea). Die Infektionszahlen auf dem Kontinent hatten nach einem vergleichsweise milden Pandemiebeginn im Vorjahr zuletzt massiv zugenommen – sie liegen gemäß AU aktuell bei knapp 3,3 Millionen erfassten Infektionen und knapp 80.000 registrierten Todesfällen.

Die zuerst in Südafrika nachgewiesene Virusvariante B.1.351 – auch als 501Y.V2 bekannt – war bei genetischen Untersuchungen von Proben aus verschiedenen Provinzen entdeckt worden. Südafrikas Gesundheitsminister Zweli Mkhize zufolge war sie mit ein Treiber für die zweite Infektionswelle in dem Kap-Staat, in dem die Zahl der Neuinfektionen zur Jahreswende neue Höhen erreichte. In Südafrika wurden bisher gut 1,3 Millionen Corona-Fälle bestätigt, knapp 37.500 Menschen starben nach der offiziellen Statistik in Verbindung mit einer Covid-19-Erkrankung. (dpa)
Irland: Der Anstieg ist explosionsartig - Corona-Musterschüler als Sorgenkind
Irland diente Europa monatelang als leuchtendes Vorbild in der Corona-Krise, immer wieder wurde das Vorgehen auf der grünen Insel angesichts der niedrigen Zahlen als Erfolgsmodell gepriesen. Doch dann brach die Weihnachtszeit an – und „die Hölle los“, wie Medien es bezeichneten. Die Lage ist in der Republik eskaliert.
So meldeten die Behörden gerade erst 73.026 Infektionen für die ersten zwei Januarwochen, das entspricht 44 Prozent aller Corona-Fälle seit dem Beginn der Pandemie in dem rund fünf Millionen Einwohner zählenden Land. Die Inzidenz lag in dieser Zwei-Wochen-Periode bei 1533, während sie am 23. Dezember noch bei 166 war, am 10. Dezember gar bei 41.

Zwar gehen die Fallzahlen aufgrund des seit Ende Dezember geltenden Lockdowns, der deutlich strikter ist als zum Beispiel in Deutschland, wieder zurück. Doch das Land ächzt unter den Folgen. Die Krankenhäuser sind voll, Ärzte und Pfleger an ihrer Belastungsgrenze angelangt. Premierminister Micheál Martin gestand ein, dass die Situation „extrem ernst“ sei.
Grund für den jüngsten explosionsartigen Anstieg ist zum einen die deutlich ansteckendere Coronavirus-Variante B.1.1.7., die erstmals im Nachbarland Großbritannien entdeckt wurde. Laut Behörden geht mittlerweile fast jede zweite Infektion auf die Mutante zurück.
Zum anderen aber machen Experten die Feiertage für die Lage verantwortlich. Diese verbrachten die Iren relativ entspannt. Es war die Zeit, als gerade erneut ein sechswöchiger strenger Lockdown zu Ende gegangen war. Es sei offensichtlich, was passiert ist, sagt Luke O’Neill, Immunologe am Trinity College in Dublin. „Die Iren lieben Weihnachten und eine wesentliche Ursache für den Anstieg waren die sozialen Kontakte.“ Katrin Pribyl
Belgien/Niederlande: Die Mutation greift um sich - 30 Minuten für den Einkauf
Für die Belgier und Niederländer ist der Stillstand längst eingetreten. Nächtliche Ausgangssperren von 24 Uhr bis fünf Uhr morgens wurden zumindest für die großen Städte erlassen. Abgesehen von systemrelevanten Geschäften müssen die anderen Shops geschlossen bleiben. In den großen belgischen Städten dürfen Einkäufe nur noch allein absolviert werden – im nächstgelegenen Supermarkt. Maximaler Aufenthalt im Geschäft: 30 Minuten.
Zwar dürfen Restaurants Speisen zum Abholen oder Liefern anbieten. Doch wer sich an der Türe seine Pommes mit Mayonnaise aushändigen lässt, muss wissen: Der Verzehr von Lebensmitteln in der Öffentlichkeit ist strikt untersagt. In den Straßen patrouilliert bewaffnete Polizei, in Belgien sind auch Soldaten auf Streife.

Bundesbürger sind derzeit nicht gerne gesehen. Schließlich gilt Deutschland für Belgier und Niederländer als rote Hochrisiko-Zone. Wer keinen höchstens 48 Stunden (in den Niederlanden: 72 Stunden) alten PCR-Test vorweisen kann, wird in die Quarantäne geschickt. Eine Weiterreise nach Hause ist nicht möglich.
In den eigenen vier Wänden darf man von einer Person besucht werden. Aber es muss sich immer um den denselben Bekannten handeln. Die beiden Länder sind von den Mutationen des Coronavirus schwer getroffen worden.
Während die niederländische Regierung harte Beschränkungen lange vor sich herschob und sie dann doch bis zum 9. Februar einführen musste, kennen die Flamen, Wallonen und Ostbelgier das Leben mit der Angst vor der Erkrankung schon länger. Bereits im Herbst waren die Kliniken überfüllt. Die Triage wurde zum beklemmenden Thema, weil die Intensivbetten nicht mehr ausreichten, um mit der großen Zahl der Erkrankten, die dringend Beatmungsgeräte brauchten, Schritt halten zu können. Detlef Drewes
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