Nachwahl in Berlin: Ein Warnsignal für die Ampelkoalition
Berlin hat den Bundestag in Teilen noch einmal gewählt. Die Ampelparteien können nicht zulegen. Die FDP verliert sogar ein Mandat. Welche Lehren lassen sich aus der Nachwahl in Berlin ziehen?
Berlin hat gewählt, und die gute Nachricht ist: Die Teilwiederholung der Bundestagswahl gelang dieses Mal ohne größere Pannen, das Ergebnis wird also – voraussichtlich – Bestand haben. Für die Ampelparteien in Berlin ist das Ergebnis hingegen keine gute Nachricht. SPD, Grüne und FDP müssen feststellen, dass sie gut zwei Jahre nach Regierungsstart keinen bleibenden Eindruck in der Bevölkerung hinterlassen haben. Was von diesem Wahlsonntag bleibt:
Wahl in Berlin: Scholz dringt nicht durch
Die SPD verlor am Sonntag in Berlin 1,2 Punkte auf die Chaoswahl im September 2021 und landete bei 22,2 Prozent. Das ist zwar immer noch mehr, als die Umfragewerte im Bund hergeben und bedeutet bei der Mini-Wahl sogar den Sieg. Andererseits stellten die Sozialdemokraten in der Hauptstadt über viele Jahre den Regierenden Bürgermeister und sind eigentlich eine Bank. Bundeskanzler Olaf Scholz reiste vor der Wahl in die USA, um eine drohende Niederlage der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die Russen abzuwenden – doch selbst mit solch außenpolitischen Themen dringt der SPD-Politiker offenbar nicht in die Köpfe der Wählerinnen und Wähler vor. Die SPD muss feststellen: Einen Kanzlerbonus – von dem viele Jahre die Union mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an der Spitze profitierte – kann sie nicht für sich verbuchen.
Während die Wiederholungswahl für die anderen im Bundestag verbliebenen Parteien bei der Abgeordnetenzahl keine Auswirkungen hatte, musste die FDP einen Sitz abgeben. Damit schrumpft der Bundestag um einen Sitz auf 735 Mandate. Erwischt hat es den Gesundheitspolitiker Lars Lindemann. Das ist einerseits bitter für den Abgeordneten selbst, aber auch für die Partei. Zumal sie im Vergleich zur letzten Wahl um 0,9 Punkte auf 8,1 Prozent verlor. Die Liberalen und ihr Chef Christian Lindner werden als Antwort ihre mutmaßlichen Alleinstellungsmerkmale – welche auch immer das sind – noch stärker herausstellen wollen. Das aber bedeutet neuen Streit in der Ampelkoalition, unter anderem in der Steuerpolitik.
Wahl in Berlin: Die CDU klettert weiter, die Grünen punkten nur beim Stammpublikum
Die ehemalige Ökopartei verlor nur geringfügig um 0,3 Punkte und steht mit 22 Prozent deutlich besser da als in den Umfragen. Außerdem liegt sie deutlich über dem Ergebnis der Bundestagswahl 2017. Andererseits zeigen die Zahlen des Landeswahlleiters, dass die Grünen nur noch in Bezirken punkten können, die vor allem von der gut verdienenden Mittelschicht bewohnt werden: Mitte, Pankow und Kreuzberg/Prenzlauer Berg. Außerhalb der Innenstädte ist für die Grünen immer weniger zu holen: Wer zum Pendeln aufs Auto und die Gasheizung im Keller angewiesen ist, scheint vorerst genug zu haben von grünem Reformeifer. Das entspricht dem bundesweiten Trend, wonach die Grünen außerhalb ihres traditionellen Stammpublikums kaum mehr punkten können. Für eine Kanzlerpartei ist das zu wenig.
Die CDU konnte sich in Berlin um 1,3 Punkte verbessern. Doch das Ergebnis von 17,2 Prozent ist nicht berauschend. Weder der christdemokratische Regierende Bürgermeister Kai Wegner noch der Bundes-CDU-Chef und mutmaßliche Kanzlerkandidat Friedrich Merz können die kleine Hauptstadt-Wahl als echten Erfolg verbuchen. Dennoch befinden sich die Christdemokraten offenbar in einem stabilen Aufwärtstrend. Es geht seit der letzten Bundestagswahl in kleinen Schritten ständig nach oben.
Es reicht nicht gegen die AfD
Die Alternative für Deutschland legte um einen Punkt auf 9,4 Prozent zu. Sie war neben der CDU die einzige Partei, die sich nennenswert steigern konnte. Selbst die wegen Terrorverdachts in Untersuchungshaft sitzende AfD-Kandidatin Birgit Malsack-Winkelmann gewann noch Stimmen hinzu, für einen Einzug in den Bundestag reichte es aber wie schon 2021 nicht. Wie es scheint, sorgen die bundesweiten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus mit Hunderttausenden von Teilnehmern bei den meisten AfD-Sympathisanten nicht für ein Umdenken. Bei den im kommenden Herbst anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen könnten die Rechtspopulisten somit ihre Erfolgsserie fortsetzen. In allen drei Bundesländern liegt die AfD bislang in Umfragen vorn. Für die fast nur noch im Osten relevante und zuletzt arg gebeutelte Linkspartei bedeutet die Wiederholungswahl immerhin eine Art Verschnaufpause. Mit 11,5 Prozent konnte sie ihr Ergebnis von 2021 praktisch halten. Da es sich um eine Wiederholungswahl zur Bundestagswahl 2021 handelte, konnten neue Gruppierungen wie die Linken-Abspaltung um Sahra Wagenknecht (BSW) oder die rechtskonservative "Werte-Union" nicht antreten.
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